Aber längst nicht immer hinterlässt der Wind auffällige Hügel und Wellenformen wie bie den Dünen. Manchmal sind die Spuren seines Wirkens kaum erkennbar, obwohl sie sich buchstäblich unter unseren Füßen befinden: Denn auch einige Bodenarten verdanken ihre Entstehung dem Einfluss des Windes. Ein Beispiel dafür ist der Löss. Typisch für ihn sind seine extrem feinen Körner: Gerade einmal 0,05 Millimeter klein sind die einzelnen Partikel.
Erbe der Eiszeit
In Mitteleuropa ist dieser sehr kalkhaltige Boden ein Relikt der letzten Eiszeit. Damals wurden Gesteinsmehle und Sande aus den riesigen Schotterflächen vor den Gletschern ausgeblasen und von den vorherrschenden Winden über weite Strecken transportiert. Abgelagert wurde der Löss dann vor allem an den Nordhängen der Mittelgebirge oder am Westufer von Flusstälern. Die Schichten können hier zwischen drei und zehn Meter, in seltenen Fällen sogar 40 Meter dick sein. Durch weitere Verwitterung und bodenphysikalische Umwandlungsprozesse entstand mit der Zeit aus dem feinen Flugstaub der heutige Löss. Er ist sehr fruchtbar und bildet die Grundlage beispielsweise für Schwarzerdeböden.
In Deutschland sind vor allem die Landschaften wie die Magdeburger Börde vom Löss geprägt, aber auch das Rheingau, das Thüringer Becken, der Kaiserstuhl oder die Gäugebiete in Baden-Württemberg und Bayern. Auch die Kornkammer der früheren Sowjetunion, die Schwarzerdeböden der Ukraine, verdanken ihre Fruchtbarkeit dem Löss. Insgesamt sind etwa zehn Prozent der Landoberfläche auf der Erde mit Löss bedeckt. Es gibt ihn auf allen Kontinenten, im mittleren Westen der USA, in Argentinien, in Mitteleuropa, Zentralasien und China. Auch in Afrika und Australien finden sich lössartige Sedimente. In den mittleren Breiten ist er damit das am weitesten verbreitete Sediment.
Von Richthofen und der chinesische Löss
Die größten Bodenumschichtungen und Lössanhäufungen hat der Wind aber in China bewirkt. Hier bedeckt der Flugstaub aus den Wüsten und Steppen Innerasiens gewaltige Flächen. Das entdeckte Ende des 19. Jahrhunderts auch Ferdinand von Richthofen, ein junger Geologe aus Schlesien. Wie viele seiner Kollegen war auch von Richthofen zunächst davon überzeugt, dass es sich bei den ihm bekannten Löss-Vorkommen, beispielsweise am Mittelrheingraben, um schlammige Ablagerungen von Flüssen handeln müsse. Als der Geologe aber nach China kam, stieß er hier auf Sedimentdicken in Größenordnungen, die er sich bis dahin nicht hatte vorstellen können.
In der Nähe des Gelben Flusses – Huang He – gab es ganze Labyrinthe von Schluchten, die sich in ein mächtiges Lössplateau eingeschnitten hatten. Das konnte nicht der Fluss allein erzeugt haben, erkannt von Richthofen. Aufgrund seiner Beobachtungen in den Wüsten Gobi oder Taklamakan sowie im südlich angrenzenden Kunlun-Shan und auf dem Tibet-Plateau kam der Forscher schließlich zu der Erkenntnis, dass der Löss nicht durch Flüsse, sondern durch Wind abgelagert worden sein musste. Nur so hatten sich derartige Mengen des ockerfarbenen Staubs ansammeln können.
Heute weiß man: Das chinesische Lössplateau am Gelben Fluss ist eines der mächtigsten zusammenhängenden Löss-Vorkommen der Welt – mit einer Fläche von 450.000 Quadratkilometern ist es größer als Deutschland. In den chinesischen Provinzen Henan, Shanxi und Gansu erreichen die Löss-Schichten bis zu 400 Meter Dicke – sie sind damit die mächtigsten der Erde.
Nadja Podbregar
Stand: 04.05.2012