Unsichere Bedingungen sind für Bakterien nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Es wäre daher wohl von Vorteil, wenn sich Bakterien schnell an wechselnde Bedingungen anpassen könnten. Und genau das ist der Fall. Ein Schlüsselfaktor für diese Fähigkeit sind das Erbgut und die Prozesse, die mit dem Ablesen dies genetischen Codes verknüpft sind.
Kurzlebige Boten-RNA – reine Verschwendung?
Die Information der DNA wird über Boten-RNAs (mRNAs) in Proteine übersetzt. Diese bestimmen die Eigenschaften und Fähigkeiten von Organismen, etwa als Enzyme im Energiestoffwechsel, beim Aufbau von zellulären Strukturen oder als Rezeptoren für die Aufnahme von Signalen. Da es energetischer Unsinn wäre, wenn alle im Genom kodierten Proteine immer gebildet würden, ist die Geneexpression strikt reguliert.
Die Lebensdauer der Boten-RNAs ist in Bakterien nur sehr kurz, sie halten sich nur zwei bis drei Minuten. Im Gegensatz dazu beträgt die mittlere Lebensdauer von mRNAs in höheren Eukaryoten wie auch bei uns mehrere Stunden. Auf den ersten Blick erscheint es verschwenderisch, wenn Bakterien Energie in den Aufbau langer Moleküle aus tausend oder tausenden von Bausteinen stecken, um sie schon zwei Minuten später wieder abzubauen.
„Notbremse“ in der Proteinfabrik
Weil sich diese Strategie in der Evolution bei Bakterien aber durchgesetzt hat, muss sie Vorteile bieten, die den Nachteil der Energieverschwendung überwiegen. Ein wesentlicher Vorteil besteht darin, dass Bakterien mit dieser Strategie sehr schnell auf wechselnde Umweltbedingungen reagieren können. Ist Sauerstoff oder eine Energiequelle, die gerade noch in der Umwelt vorhanden war, plötzlich nicht mehr da, können die Zellen sehr schnell die nun nicht mehr benötigten mRNAs abbauen. Dadurch werden wenige Minuten nach der Umweltänderung keine unnützen Proteine mehr produziert. Das spart viel Energie, weil die Proteinproduktion energetisch viel teurer ist als mRNAs herzustellen.
Natürlich gehört zu dieser schnellen Anpassung an ständig wechselnde Umweltbedingungen auch, dass die passenden Gene schnell angeschaltet werden, und genau das passiert auch. Experimente belegen den blitzschnellen Auf- und Abbau einer mRNA anhand eines sehr gut untersuchten Gens. Man sieht außerdem, dass verschiedene Signale aus der Umwelt von Bakterien verrechnet werden können.
Jörg Soppa, Universität Frankfurt/ Forschung Frankfurt