Phänomene

Flexibler Anpassungskünstler

Ständiger Wandel hilft beim Überleben

Dass die artenreiche Gattung der Schleimpilze schon solange diese Erde besiedelt, liegt auch an ihrem ausgeprägten Anpassungsvermögen. Ob bei der Suche nach Nahrung oder dem Meistern von schlechten Umweltbedingungen – der Schleimpilz hat viele Wege, sich anzupassen.

Plasmodium
Das verzweigte Plasmodium eines Schleimpilzes breitet sich auf dem Untergrund aus. © AlbyDeTweede/ Getty images

Allein oder gemeinsam?

Ein amöboider Schleimpilz kriecht mit einer Geschwindigkeit von circa einem Millimeter pro Stunde durch den Wald und kommt bei seiner Nahrungssuche normalerweise gut zurecht. Doch wenn das Waldbuffet mal weniger hergibt, kann es auch für den Einzeller brenzlig werden. Um nicht zu verhungern, verbindet er sich daher mit anderen Schleimpilzen zu einem mehrzelligen Pseudoplasmodium. Zwar muss mit diesem Zusammenschluss ein größerer Organismus versorgt werden, aber die Nahrungssuche gestaltet sich im Mehrzeller-Team weitaus erfolgreicher.

Denn der Schleimpilz kann nun größere Flächen erschließen und so besser nach Nährstoffquellen suchen. Weiterhin können sich einzelne Zellen nun auf verschiedene Aufgaben konzentrieren und so den großen Organismus effizienter koordinieren. Indem der Organismus in diesem Zustand der Mehrzelligkeit zum Fruchtkörper wird und Sporen ausbildet, kann er seine Überlebenschancen noch weiter steigern. Denn die Verbreitung über Sporen ermöglicht es den Schleimpilzen langanhaltende Nahrungsknappheit noch besser zu überstehen oder neue Lebensräume zu erschließen.

Schleimpilz auf der Jagd

Der Schleimpilz ist ein Meister im Erschließen neuer Nahrungsquellen. Doch woher weiß dieser Organismus ohne Augen und ohne Nase, in welche Richtung er sich orientieren muss, um zu Nährstoffen zu gelangen? Dies macht er ganz geschickt, indem er verzweigte Netzwerke aus Zellen in mehrere Richtungen ausstreckt, wie eine Art Fühler.

Diese Zellnetzwerke bestehen aus feinen Kanälen oder Adern, die die Nährstoffzusammensetzung des Bodens registrieren können. Die Kanäle wiederum sind aus Myosin und Aktin aufgebaut, die auch bei uns Menschen für das Zusammenziehen unserer Muskeln verantwortlich sind. Die winzigen Kontraktionen der Adern des Schleimpilzes lassen die Zellflüssigkeit von einem Netzwerk zum anderen fließen, sodass die Signale von außen zum Rest des Schleimpilz-Körpers weitergetragen werden können. So registriert der Organismus, welche Richtungen geeignet sind und kann in die entsprechenden Richtungen seine Netzwerke weiter ausbauen.

Der Schleimpilz mag es feucht

Sind die Umweltbedingungen mal ungünstig, wie zum Beispiel bei Trockenheit, kann der schleimige Geselle in eine Art Ruhemodus verfallen, für den er sich sozusagen selbst „entwässert“. Ungünstigen Witterungen kann er in diesem eingetrockneten Zustand bis zu zwei Jahre lang ohne Probleme standhalten. Forschende vermuten, dass dies auch der Grund ist, warum seine Art auch nach Jahrmillionen immer noch so erfolgreich die Erde besiedelt.

SChleimpilze
Diese Wesen sehen aus wie kleine Würmer oder Larven, sind aber mobile Plasmodien eines Schleimpilzes. © Usman Bashir/ Washington University, CC-by-sa 4.0

Sobald wieder Nahrung und vor allem auch Flüssigkeit zur Verfügung stehen, wird der Schleimpilz wieder aktiv und ist in der Lage weiterzuwachsen. Diese Erfahrung machten auch Feuerwehrmänner in der Stadt Dallas in den USA. Im Jahr 1973 breitete sich in einem Vorort eine Kolonie des Schleimpilzes Fuligo septica aus und ließ die Bewohner aufgrund seiner außergewöhnlichen gelben und schleimigen Erscheinung zunächst an außerirdische Lebensformen denken. Die Maßnahme der Feuerwehr, den Pilz mit einem harten Wasserstrahl zu entfernen, löste genau den gegenteiligen Effekt aus und die Pilze wuchsen und vermehrten sich in der feuchten Umgebung umso schneller.

Von Extremwachstum bis zur Metalltoleranz

Von den etwa 1.000 bekannten Schleimpilzarten gibt es manche Vertreter mit herausragenden Eigenschaften. Die meisten der Einzeller sind sehr klein und nehmen nur wenig Fläche ein, sodass man sie meistens nicht per Zufall entdeckt. Ganz anders sieht es jedoch bei dem Schleimpilz Physarum polycephalum aus: Dieser ist oft in Laboren zu finden, die das Zellwachstum erforschen, und erreichte in kontrollierter Laborumgebung bereits mehr als 5,5 Quadratmeter Fläche.

Eine weitere bemerkenswerte Eigenschaft ist die Metalltoleranz vieler Schleimpilz-Arten. Beispielsweise Zink scheint den Einzellern nichts auszumachen. Im Gegenteil: Sie können das Metall sogar in eigentlich giftigen Mengen aufnehmen, ohne dass sie darunter leiden. Für den Schleimpilz Fuligo septica kann aufgrund der Höhe der aufgenommenen Zinkmenge sogar schon von Metallaffinität gesprochen werden. Es wird vermutet, dass Zink eine Rolle im Entgiftungssystem des Schleimpilzes spielt, weil es entgiftende Enzyme aktiviert.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Schleimpilze
Exotische Wesen mit faszinierenden Fähigkeiten

In keine Schublade zu stecken
Schleimpilze bilden ihr eigenes Reich

Einzeller, aber oho
Was macht einen Schleimpilz aus?

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Erinnerung und Orientierung ohne Gehirn

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