Klima

Flucht der Polypen

Könnte der "Bailout" eine Chance sein?

Das Bochumer Forschungsteam möchte die Reaktionen der Korallen auf die Klimaveränderungen im Detail nachvollziehen. Dazu führen sie Experimente in ihren Forschungsbecken durch, bei denen sie die Temperatur, den CO2-Gehalt und den Salzgehalt verändern.

Wasser
Durch Veränderung der Wasserbedingungen können die Forscher beobachten, wie die Korallen auf Stress reagieren. © Roberto Schirdewahn/ RUB

„Wir unterziehen die Korallen einem Stresstest und geben noch dramatischere Umweltbedingungen vor“, erläutert Fabian Gösser das Vorgehen. Die Biologen konnten bereits feststellen, dass unterschiedliche Korallenarten auch unterschiedlich stark auf die Stressoren, etwa einen Anstieg des Salzgehalts, reagieren. „Es gibt robustere und sensitivere Arten“, fasst Gösser zusammen.

Wenn die Polypen abwandern

Besonders faszinierend findet der RUB-Biologe die Polyp-Bailout-Reaktion, die er bei den Steinkorallen beobachten konnte. „Die einzelnen Polypen haben sich als Reaktion auf einen Temperaturanstieg um vier Grad Celsius über ihrer Toleranz aus der Korallenkolonie gelöst und sozusagen das sinkende Schiff verlassen“, erklärt Gösser.

Noch erstaunlicher sei es, dass diese Polypen in der Lage waren, an anderer Stelle weiterzuwachsen. Der Doktorand erläutert die Bedeutung der Reaktion: „Selbst, wenn nur ein geringer Anteil den Ablösungsprozess überlebt, hätte das immense Folgen für den Erhalt der Korallenpopulation, die genetische Diversität, das Überleben der Riffe.“ Denn dann hätten die Korallenpolypen die Chance, sich anderswo anzusiedeln und so zu überleben.

Spurensuche auf genetischer Ebene

Die Frage, die den Wissenschaftler umtreibt: Warum kann ein Temperaturanstieg sowohl zur Korallenbleiche als auch zur Polypen-Abstoßung führen? Was bedingt das unterschiedliche Ergebnis? Um die Reaktion genauer zu verstehen, schaut sich Gösser daher den Bailout-Prozess auf molekularer Ebene an. Er analysiert, was mit den Polypen passiert, wenn diese abgetrennt werden und welche Gene während des Bailout-Prozesses angeschaltet sind.

Korallen
Acroporiden (im Vordergrund, lila) und Pocilloporiden (in der Hand), reagieren sensitiver auf Umweltveränderungen als andere Korallenarten. © Roberto Schirdewahn/ RUB

Dazu extrahiert der Biologe zunächst die DNA und RNA aus Gewebeproben von Steinkorallen, die zu unterschiedlichen Zeitpunkten des Bailout-Prozesses genommen wurden. Anschließend sequenziert er die komplette Messenger-RNA, die die Informationen der aktiven Gene als Botschafter überträgt, und vergleicht die Basenabfolge mit bereits entschlüsselten Genomen. „Schon jetzt sehen wir, dass beim Bailout-Prozess Gene angeschaltet sind, die beim Menschen beispielsweise für Immunreaktionen verantwortlich sind“, erklärt der Biologe die ersten Ergebnisse.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. weiter
Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Riffbauer unter Stress
Wie lassen sich die Korallen retten?

Wie ein Wald unter Wasser
Dem geheimen Leben der Korallen auf der Spur

Exodus der Symbionten
Die Korallenbleiche und ihre Folgen

Flucht der Polypen
Könnte der "Bailout" eine Chance sein?

Stressresistente Chimären
Kann eine assistierte Evolution die Korallen retten?

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

keine News verknüpft

Dossiers zum Thema