So sehr das hehre Bild des verantwortungsvollen Forschers und der sich selbst regulierenden Wissenschaft auch beschworen wird, die Realität sieht anders aus: Antinori, Zavos und andere selbsternannte „Menschenkloner“ scheren sich ganz offensichtlich keinen Deut darum, ob ihr Tun von der Mehrheit der Gesellschaft als unethisch abgelehnt wird oder nicht. Im Gegenteil: „Wenn es nicht anders geht, gehen wir in ein anderes Land und klonen einen Menschen“ verkündete Brigitte Boisselier, Molekularbiologin und Projektleiterin der US-Firma Clonaid, nach dem Klonverbot des amerikanischen Repräsentantenhauses.
Damit zeigt sie genau die Reaktion, die schon Ray Kurzweil anläßlich der Debatte um die Risiken der Zukunftstechnologien prognostizierte: „Der Verzicht auf weite Bereiche der Technologie wird sie in den Untergrund treiben, wo ihre Entwicklung ungehindert von Ethik und Regulierung fortgesetzt werden würden.“
Die Debatte um die Stammzellforschung und die Reaktionen der „Menschenkloner“ zeigen sehr deutlich, welchen Hürden und Problemen Politiker, Wissenschaftler und andere Verantwortliche gegenüberstehen, wenn es um die Frage der Beschränkungen von Forschung geht: Einerseits verletzt ein Versagen der Selbstkontrolle der Wissenschaft nicht nur ethische Grundsätze, sondern könnte auch die gesamte Wissenschaft schädigen, wie die Forschungen von Nico Stehr, dem Leiter des Projekts „Wissenspolitik in modernen Gesellschaften“ am kulturwissenschaftlichen Institut in Essen belegen: „Wissenschaft braucht das Vertrauen der Gesellschaft. Das kann sie nur bekommen, wenn sie ihre Anwendungen auf sichere und allgemein akzeptierte Bereiche beschränkt.“
Andererseits gilt die Forschungsfreiheit als wichtiger Leitgedanke der deutschen Verfassung. „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei“, heißt es im fünften Artikel des Grundgesetzes. Anläßlich der jüngsten Debatte über die Embryonenforschung warnte der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Hubert Markl, vor einer Beschränkung der Forschungsfreiheit und konstatierte: „Die Freiheit zur Entwicklung neuer Erfindungen ist sogar die Voraussetzung dafür, dass Kultur und Staat zu existieren vermögen. Der Mensch ist ein Wesen, das seine Grenzen überschreiten muss, um ganz Mensch zu sein.“
Also doch grenzenlose Freiheit für Forscher? Nicht ganz – selbst Markl gesteht ein, dass eine gewisse Kontrolle nötig sein könnte, dass der rapide Fortschritt von Computertechnik, Nanotechnologie und Gentechnik auch „Kontrollzuwächse“ erfordere, wenn „der Zauberlehrling nicht die Herrschaft über seine dienstbaren Geister verlieren soll.“
Stand: 21.08.2001