Die Archäometrie ist ein Forschungszweig, der naturwissenschaftliche Verfahren auf kulturwissenschaftliche Fragestellungen anwendet. Besondere Bedeutung hat dabei die Isotopenanalyse, die sich zunutze macht, dass die meisten chemischen Elemente in mehreren Varianten vorkommen.
Moleküle, in die unterschiedliche Isotope eines Elements eingebaut sind, verhalten sich in physikalischen und chemischen Reaktionen verschieden. In Ökosystemen bilden sich so diverse Kompartimente, Räume, die durch spezifische Isotopenverhältnisse gekennzeichnet sind. Welche Isotope der verschiedenen Elemente in Knochen, Haare und Zähne eingebaut werden, ist abhängig von der Ernährung und anderen äußeren Einflüssen.
Ein Isotopen-Fingerabdruck
Eine Isotopenanalyse menschlicher Überreste liefert so im günstigsten Fall umfassenden Aufschluss über Herkunft und Lebensweise des Individuums – eine Art Isotopen-Fingerabdruck. „Ich fand diesen Ansatz so spannend, weil er viele Informationen über die damalige Ernährungs- und Wirtschaftsweise, über ökologische Parameter und auch über Migration und Handel liefern kann“, sagt Gisela Gruppe von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU).
Die Wikingersiedlung Haithabu bietet sich als Ort archäometrischer Untersuchungen geradezu an: Sie war über Jahrhunderte bewohnt, was gut dokumentiert ist. Sie war ein florierender Handelsstützpunkt, dessen Einzugsgebiet die gesamte damals bekannte Welt umfasste. Dennoch kehrte Grupe erst nach Jahren dorthin zurück, als sie sich erfahren und methodisch kompetent genug fühlte, die komplexen Fragen an diesem außergewöhnlichen Fundort zu untersuchen.
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Haithabus natürliche Umwelt rekonstruiert
Mit Kollegen verschiedener Fachrichtungen konnte die Anthropologin bereits rekonstruieren, wie die natürliche Umwelt Haithabus aussah, wie sich die ökologischen Nischen mancher Wirbeltiere von den heutigen unterschieden und welche Nahrungsbeziehungen die einzelnen Spezies miteinander verbanden. Keine Befunde von untergeordneter Bedeutung, denn aus der Beschaffenheit der Nahrungsnetze beispielsweise kann man darauf schließen, wie sich die Menschen von Haithabu ernährten, darauf beispielsweise, welches Fleisch sie verzehrten.
Doch machten die Analysen nicht nur deutlich, wie die Natur die Menschen beeinflusste, sondern auch, wie die Siedler ihrerseits die Umwelt gestalteten. Sie griffen stark in die Landschaft ein – die Pflanzendecke in der Umgebung Haithabus lichtete sich damals nachweislich. Sogar die ehemaligen Jagd- und Fischereigründe konnten die Forscher identifizieren, womit sich im Übrigen herausstellte, dass die Wikinger offenbar sehr viel weniger vom Fisch als Nahrungsquelle abhängig waren als bislang angenommen.
Arbeitsteilige Bevölkerung
„Das hat uns überrascht“, räumt Grupe ein. Ob nun in Nord- und Ostsee oder im benachbarten Schlei-Fjord: „Der Fischfang und die Verarbeitung der Rohstoffe diente offenbar mehr dem Handel als zur eigenen Ernährung.“ Wie viel Fisch der Einzelne tatsächlich aß, hing wohl vom Beruf ab. Die Analysen jedenfalls deuten wie erwartet auf sehr unterschiedliche Ernährungsweisen hin. „Das ist üblicherweise ein Hinweis auf eine stark arbeitsteilige Bevölkerung“, erklärt Grupe.
Susanne Wedlich / „Einsichten – Das Forschungsmagazin“ der Ludwig-Maximilians-Universität München
Stand: 08.03.2012