Wenn Meteoriten oder durch das All segelnde Mikroben die junge Erde gewissermaßen mit Leben beimpft haben, könnte dies nicht wieder geschehen? Ja, könnte es, sagt Chandra Wickramasinghe, ein Kollege und ehemaliger Doktorand von Fred Hoyle. Von Hoyle und Wickramasinghe stammt die Behauptung, dass ein geradezu ständiger Strom von Bakterien und Viren auf die Erde regnet.
Grippe und AIDS aus dem Weltraum
Bestätigt sehen sie diese Theorie in plötzlich auftretenden Krankheitsepidemien. So soll beispielsweise die verheerende Grippe von 1918 auf Viren aus dem Weltall zurückgehen. Sonnenwind-Aktivitäten zu Zeiten der größten Grippe-Epidemien sowie die Bedingungen in der Erdatmosphäre sollen dies untermauern. Auch anders kaum nachvollziehbare Ausbreitungswege ansteckender Krankheiten lassen sich angeblich durch diesen Ursprung erklären. Das AIDS-Virus HIV stammt Hoyle zufolge ebenfalls aus dem All. Mit dieser Theorie steht er allerdings ziemlich allein da.
Das auf diese Art auf die Erde gelangende Erbmaterial ist aber selbst nach Hoyles Vorstellung nicht zwangsläufig gefährlich – im Gegenteil: Nach der Theorie der „Cosmic Ancestry“, also der Kosmischen Abstammung, ist es entscheidend für die Evolution des Lebens auf der Erde. Nach dieser Theorie ist das Leben im Universum nicht entstanden, sondern hat schon immer existiert.
Evolution durch kosmischen Gentransfer
Damit setzt sich die „Cosmic Ancestry“ drastisch von der etablierten Evolutionstheorie, aber auch vom Kreationismus ab. Sie schließt jedoch die Evolution nicht völlig aus: Leben kann sich demnach durchaus weiterentwickeln und neue Lebensformen hervorbringen. Allerdings halten die Anhänger der „Cosmic Ancestry“ dabei Mutationen und Vererbung für unbedeutend.
Hier kommt stattdessen das Erbmaterial aus dem All ins Spiel: Durch einen planetenübergreifenden horizontalen Gentransfer können irdische Lebewesen demnach neue Erbinformationen aufnehmen und ihr genetisches Programm erweitern. So erklären die Vertreter dieser Theorie die ansonsten angeblich zu unwahrscheinlichen Entwicklungsschritte der irdischen Evolution.
Neueren Erkenntnissen zufolge ist der horizontale Gentransfer tatsächlich wichtiger für die Evolution als lange gedacht. Auch in menschliche Zellen können Bakterien auf diesem Wege genetische Informationen einschleusen. Für Erbmaterial, das vom Himmel fällt, fehlt allerdings bislang jeglicher wissenschaftlicher Nachweis. Die Fachwelt ist daher von der „Cosmic Ancestry“, gelinde gesagt, wenig überzeugt.
Ansgar Kretschmer
Stand: 21.08.2015