So gewaltig die Angreifer auch waren, konnten sie sich ihrer Beute aber auch dann nicht sicher sein. Sie mussten schnell fressen, sonst wurde ihnen das wertvolle Fleisch vermutlich von noch größeren Räubern oder einem Rudel abgejagt. Einen riesigen Pflanzenfresser hätten sie wohl nicht schnell
genug verschlingen können. Jungtiere hingegen senkten das Jagdrisiko und brachten damit einen größeren Nutzen.
„Es gibt mittlerweile einige Hinweise, die unsere Hypothese stützen“, berichtet Oliver Rauhut. „Trotzdem müssen wir jetzt auf neue Entdeckungen zum Jagdverhalten der Theropoden hoffen, etwa weitere versteinerte Magenreste und Koproliten. Momentan sind die Fossilfunde in diesem Bereich leider noch zu dürftig.“
Sensationsfund im Londoner Museum
Ausschließen lässt sich dabei aber nicht, dass entscheidende Stücke bereits in einem der paläontologischen Archive der Museen dieser Welt lagern. Schließlich entpuppte sich auch ein fast vollständiger Dinosaurierschädel, der seit rund 100 Jahren in den Sammlungen des Natural History Museums in London liegt, erst auf den zweiten Blick als Sensation. Nach einer zunächst falschen Zuordnung wurde das Fossil später als Überrest einer unbekannten Gattung erkannt, die den Namen Proceratosaurus erhielt.
Die erste detaillierte Untersuchung fand allerdings erst jetzt statt unter Oliver Rauhuts Leitung, der das Fossil als frühesten Vorfahr der Tyrannosauridae erkannte. Diese Gruppe von Raubsaurieren ist nach ihrem bekanntesten Vertreter benannt, dem Tyrannosaurus rex. Gemein ist den zweibeinigen Fleischfressern der Körperbau: Stummelarme und ein kräftiger Schwanz am massigen Körper sowie
messerscharfe Zähne im wuchtigen Schädel. Die wichtigsten Vertreter der Familie, wie T. rex, stammen aus der späten Kreidezeit, wenn auch einige kleinere Arten aus dem Jura bekannt sind.
Neuer Blick auf best erhaltenen Dinoschädel
Dennoch liegen die Anfänge und die Evolution dieser wichtigen Sauriergruppe noch weitgehend im Dunkeln. Proceratosaurus könnte hier nun Abhilfe schaffen. „Wir mussten den Schädel erst einmal reinigen, weil einige der Knochen noch von Gestein bedeckt waren“, berichtet der Paläontologe. „Es ist wirklich erstaunlich, wie wenig Aufmerksamkeit diesem Fossil geschenkt wurde, obwohl es sich um einen der am besten erhaltenen Dinosaurierschädel aus Europa handelt.“
Er und sein Team setzten bei der Untersuchung auch auf moderne bildgebende Verfahren. „Die Computertomographie ist eine tolle Methode, weil sie uns Einblicke in das Innere des Fossils erlaubt, ohne dass das Material beschädigt wird“, sagt Angela Milner, die das Fossil als zuständige Kustodin am Natural History Museum persönlich nach Texas transportierte, wo die High-Tech-Untersuchung stattfand.
Susanne Wedlich, Magazin Einsichten / LMU München
Stand: 03.12.2010