Für viele Medien steht das Urteil zum „Climategate“ bereits fest, lange bevor es gesprochen wird: Für sie sind Phil Jones, Michael Mann und zahlreiche andere durch den CRU-Hack betroffene Klimaforscher von vornherein schuldig – wenn nicht der glatten Fälschung von Daten so doch zumindest der Vertuschung wichtiger Details und der „Kartellbildung“ gegen Vertreter unliebsamer Ansichten.
Unterstützung nur hinter den Kulissen
Auch von Seiten der Klimaforscher kommt zunächst nur wenig Unterstützung. Zwar beeilen sich viele klarzustellen, dass der Klimawandel als solches und auch das IPCC durch das „Climategate“ nicht in Zweifel gezogen werde. Über Jones und seine Kollegen vom CRU möchte jedoch keiner viel sagen. „Ich bekam zahlreiche unterstützende Botschaften von meinen Mitforschern. Und ich habe mich gewundert, warum sie nicht zu den Medien gegangen sind und dort das gleiche gesagt haben wie mir gegenüber“, schildert Jones die Situation in einem „Nature“-Interview im November 2010.
„Nature“-Reporter David Adam berichtet über die Reaktion einiger britischer Wissenschaftler: „Im Privaten sagen sie, dass diese E-Mails böse aussahen. Und sollten die CRU-Forscher des Fehlverhaltens für schuldig befunden werden, wollten sie nicht mit hineingezogen werden.“ Ähnliches erklärt auch Paul Ehrlich von der Stanford Universität in Kalifornien: „Alle haben Schiss, aber sie wissen nicht was sie tun sollen“, so der Klimaforscher noch im März 2010.
Monatelang bleibt alles in der Schwebe. Jones, der nach Bekanntwerden der E-Mails von seinem Posten als Leiter des CRU zurückgetreten ist, erleidet einen Nervenzusammenbruch und kämpft gegen schwere Depressionen. Bei seinem Auftritt vor der parlamentarischen Untersuchungskommission im März 2010 wirkt er ausgezehrt und gebrochen.
Der Abschlussbericht: Kein Zweifel an Ehrlichkeit…
Dann endlich, im Sommer 2010 veröffentlicht die Untersuchungskommission unter Sir Muir Russell ihren Abschlussbericht zur „Climategate“-Affäre. Nach gründlicher Überprüfung von Dokumenten und Korrespondenz sowie zahlreichen Anhörungen kommen die fünf Kommissionsmitglieder zu dem Schluss, dass die Vorwürfe gegenüber den Wissenschaftlern an der Climate Research Unit (CRU) nicht gerechtfertigt sind. Nach Michael Mann, der sich einer ähnlichen Kommission an der Universität von Pennsylvania stellen musste, und dem IPCC, sind damit auch Jones und seine Kollegen „freigesprochen“.
„Ihre Ehrlichkeit und Ernsthaftigkeit als Wissenschaftler steht nicht in Zweifel“, erklärt Sir Muir Russel bei der Verkündung der abschließenden Bewertung. „Hier geht es um das, was sie getan haben, nicht um das, was gesagt wurde.“ Auch der Vorwurf des Missbrauchs der Peer Review und von Mauscheleien im IPCC-Prozess werden entkräftet. „Wir haben keinerlei Belege für Verhalten gefunden, das die Schlussfolgerungen der IPCC-Einschätzungen unterminieren könnte.“
Tatsächlich fanden die beiden Publikationen, die Jones in seiner E-Mail aus dem IPCC-Bericht 2007 fernhalten wollte, dennoch Eingang in den Berichtstext. In diesem Falle waren die Drohungen offensichtlich mehr heiße Luft als tatsächliche Handlungsabsicht. Der Chefredakteur des „Climate Research“ musste allerdings wirklich seinen Hut nehmen. Aber nicht, weil ein „Klimakartell“ ihn dazu zwang. Stattdessen stellte sich die schon von Jones beanstandete und dann trotzdem veröffentlichte Publikation als so fehlerbehaftet heraus, dass er als Verantwortlicher die Konsequenzen ziehen musste.
….aber Kritik an mangelnder Offenheit
Deutliche Kritik äußern die fünf Kommissionsmitglieder in ihrem Abschlussbericht allerdings an der „Wagenburg-Mentalität“ der CRU-Forscher. „Es gab ein konsistentes Muster darin, das passende Maß an Offenheit fehlen zu lassen, sowohl von Seiten der CRU-Wissenschaftler als auch von Seiten der Universität von East Anglia“, so Russel. Warum Jones allerdings in seinen E-Mails seine Kollegen ausdrücklich um die Löschung von Mails oder Daten bat, kann er bis heute nur ungenügend erklären. In einen Interview in „Nature“ erklärt er dazu im November 2010: „Das war wahrscheinlich einfach nur Leichtsinnigkeit („Bravado“). Wir dachten: Wenn sie dann noch nach mehr fragen, können wir das ebensogut einfach nicht mehr haben.“
Als fahrlässig, wenn auch nicht böse Absicht, kritisiert die Kommission auch das Fehlen von entsprechenden Beschriftungen im Diagramm der Hockeystick-Kurve von Jones et al. Zwar sei die Kurve korrekt und auch im Text des Artikels sei auf die Datenquellen hingewiesen worden, das Ergebnis sei aber dennoch missverständlich.
Offiziell ist Jones damit freigesprochen und rehabilitiert. Nachdem er für die Dauer der Untersuchungen von seinem Posten als Leiter des CRU zurückgetreten war, ist er inzwischen wieder im Amt, als Forschungsdirektor der Abteilung und damit mit weniger administrativen Aufgaben. Die FOI-Anfragen beantwortet nun ein anderer für ihn…
Nadja Podbregar
Stand: 10.12.2010