Für Frösche, Insekten und andere wechselwarme Tiere ist die kalte Jahreszeit eine ernsthafte Bedrohung: Im Gegensatz zu Säugern und Vögeln können sie ihre Körpertemeratur nicht auf einem Sollwert halten, sondern sind mehr oder weniger von der Umgebungstemperatur abhängig.
Wenn es im Herbst und Winter anfängt zu frieren, können diese Tiere nur dann überleben, wenn sie sich vor dem tödlichen Gefrieren schützen. Gerade Insekten und andere Gliedertiere scheinen durch ihre geringe Größe im Winter besonders benachteiligt zu sein: Mit einer im Verhältnis zu ihrem Körpervolumen großen Oberfläche bieten sie der Kälte mehr Angriffsfläche. Aber für viele Arten liegt gerade in ihrer Kleinheit der Hauptschutz gegen ein Gefrieren.
Supercooling: Wehret der Kristallisation
Wissenschaftler haben festgestellt, dass sehr kleine Flüssigkeitsvolumen und extrem reines Wasser erst erheblich später als 0°C zu Eis erstarren. Fünf Mikroliter Leitungswasser können zum Beispiel bis auf –18°C runtergekühlt werden, ohne daß es gefriert. Das funktioniert deshalb, weil die Bildung von Eis immer an sogenannten Kristallisationskernen beginnt. Für uns unsichtbar lagern sich die Wassermoleküle an Staubpartikeln, Molekülen oder Oberflächen an und ordnen sich zum Eiskristallgitter an. Je ähnlicher ein solcher Auslöser der Kristallstruktur des Eises ist, desto wirksamer ist er als Kristallisationskern. In sehr kleinen Wassermengen oder sehr reinem Wasser fehlen diese Kerne, so dass auch bei Temperaturen unter dem eigentlichen Gefrierpunkt keine Eiskristalle entstehen.
Dieses Phänomen, „supercooling“ oder „Unterkühlen“ genannt, macht sich zum Beispiel die bei uns heimische Getreideblattlaus zunutze. Sie übersteht ohne zu Gefrieren Temperaturen bis –23°C – völlig ohne Frostschutzmittel. Allerdings hat sie auch gegenüber vielen anderen Insekten einen entscheidenden Vorteil: als Pflanzensaftsauger enthält ihre Nahrung kaum Kristallisationskerne.
Viele Käfer, wie zum Beispiel der Marienkäfer Hippodamia convergens, entleeren vor der Winterruhe ihren Darm und hören auf zu fressen, um die dort vorhandenen Kristallisationskerne zu eliminieren. Impft man diese Tiere künstlich mit Bakterien, die durch ihre Oberflächenstruktur eine Eisbildung provozieren, steigt ihr Supercooling-Punkt – die Temperatur, bei der die ersten Eiskristalle im Körper entstehen – von –16°C auf nur noch –3°C.
Frostschutzmittel: Glycerin & Co.
Für winteraktive Arten, die auch in größter Kälte noch fressen müssen um ihre Energiereserven aufzutanken, kommt diese Strategie nicht in Frage. Eine Möglichkeit, trotz Nahrungsaufnahme das Entstehen der gefährlichen Eiskristalle zu verhindern, sind natürliche Frostschutzmittel. Amerikanische Forscher fanden heraus, dass der nordamerikanischen Waldfrosch Rana sylvatica sich mit Traubenzucker vor dem Gefrieren schützt. Schon im Spätherbst beginnt die Leber des Frosches mit der Produktion des Zuckers, als Folge steigt der Blutzuckerspiegel bis zum Winter auf das bis zu 250fache des natürlichen Wertes an. Der Gefrierpunkt des Blutes sinkt dadurch auf unter –4°C ab.
Ein anderes, quer durch alle Tiergruppen verbreitetes Frostschutzmittel ist Glycerin. Wie anderen mehrwertige Alkohole auch erhöht Glycerin die Viskosität der Körperflüssigkeiten und erschwert damit die Eiskristallbildung. Der „Erfolg“ des Glycerins als tierisches Frostschutzmittel beruht darauf, dass es leicht vom Stoffwechsel synthetisiert werden kann. Auch bei relativ kurzfristigen Kälteeinbrüchen bietet es daher schnellen Schutz. Außerdem ist Glycerin im Gegensatz zu vielen anderen Stoffwechselprodukten auch in hohen Konzentrationen nur wenig toxisch, dadurch können zum Beispiel manche Insektenlarven im Winter einen Glyceringehalt von bis zu 20 Prozent des Körpergewichts haben, ohne Schaden zu nehmen.
Eiweiße gegen das Eis
Neben diesen eher niedermolekularen Frostschutzmitteln spielen auch bestimmte Eiweiße, die sogenannten „Anti-Freeze-Proteins“ (AP) eine wichtige Rolle. Schon vor mehreren Jahren haben Wissenschaftler solche Frostschutzproteine im Blut arktischer Fische und auch in einigen Pflanzenarten nachgewiesen. Diese Eiweißmoleküle senken den Gefrierpunkt des Bluts (oder der Pflanzensäfte) nur wenig ab, sie hemmen aber das Wachstum der neu entstehenden Eiskristalle. Mit ihrer speziellen korkenzieherartigen Struktur verhindern sie, daß die kleinen Kristalle weiterwachsen oder sich zu größeren Komplexen zusammenlagern. Mit ihrer Hilfe kann zum Beispiel ein norwegischer Verwandter unseres Borkenkäfers Wintertemperaturen von bis zu –20 °C überstehen, ohne ein Gefrieren befürchten zu müssen.
Nadja Podbregar
Stand: 03.02.2012