Der Einschlag im Nördlinger Ries veränderte die Landschaft radikal – schuf aber auch wertvollen neuen Lebensraum für unsere Vorfahren. Denn die Kratersenke im Schatten der Schwäbischen Alb bot ein besonders mildes Klima. Nach der letzten Eiszeit lagerte der Wind zudem feinen Löss am südlichen Krater-Ende ab und ließ dort fruchtbaren Lössböden entstehen. Diesen günstigen Bedingungen verdankt die Riesregion ihre besonders lange Kulturgeschichte.
Faustkeile und Steinzeit-Werkstätten
Schon vor rund 130.000 Jahren zogen Gruppen von frühen Menschen durch die Senke, wie ein im Ries entdeckter Faustkeil belegt. Der heute im archäologischen Museum in Donauwörth ausgestellte Fund ist das älteste menschliche Artefakt Schwabens – aber bei weitem nicht das einzige Zeugnis früher Besiedelung.
An insgesamt 50 Stellen im Ries und seiner Umgebung haben Forscher inzwischen Relikte aus der Altsteinzeit gefunden, darunter Faustkeile, Schaber, Klingen und ganze steinzeitlicher Werkstätten. Die Urzeit-Bewohner dieser Gegend durchstreiften das Ries vermutlich auch auf der Jagd nach Großwild. Dass es dies damals hier gab, belegt der Fund von Mammutresten in alten Sanddünen bei Gosheim.
Rätselhafte Schädelfunde
Ein Rätsel geben bis heute steinzeitliche Überreste auf, die Anfang des 20. Jahrhunderts in der Großen Ofnethöhle bei Nördlingen entdeckt wurden. Neben Steinwerkzeugen und Tierknochen stießen Forscher hier auf zwei nestartige Ansammlungen voller Schädel. Die teilweise mit Tierzähnen und Schneckengehäusen geschmückten Köpfe waren so angeordnet, dass sie alle nach Westen blickten. Datierungen ergaben, dass die Schädel rund 8.000 Jahre alt sind und damit aus der Mittelsteinzeit stammten. Warum aber wurden sie auf diese Weise zusammengetragen? War es eine rituelle Opferung? Ein Massaker oder gar Kannibalismus? Die Antwort auf diese Fragen ist bis heute offen.
Doch nicht immer sind die Spuren der Vergangenheit so grausig wie die Schädelnester. Von der friedlichen Nutzung vor allem der fruchtbaren Böden im Süden des Ries zeugen bis heute viele Siedlungsreste aus der Jungsteinzeit. Sie bildeten eine der bedeutendsten Ansammlungen früher Ackerbaukultur in Deutschland. Aber auch in der Antike wusste man die fruchtbaren Böden des Ries zu schätzen: Die Römer bauten hier Getreide an, um ihre Legionen entlang des Limes zu versorgen.
Ein Zeugenberg als Keltenfestung
Schon vor rund 3.000 Jahren entdeckten die Kelten die strategischen Vorteile der Ries-Landschaft. Sie bauten den Ipf in der Ostalb zu einer Festung aus und nutzten ihn wahrscheinlich sogar als Fürstensitz. Kein Wunder: Dieser knapp 670 Meter hohe Zeugenberg steht frei in der Landschaft und eröffnet eine hervorragende Aussicht rundum und vor allem über das Ries – Feinde waren von dieser Festung aus leicht zu sichten.
Heute gilt der Ipf als eine der eindrucksvollsten prähistorischen Befestigungen in ganz Süddeutschland. Die Spuren der von den Kelten angelegten Wälle, Rampen und Terrassen sind schon von weitem sichtbar. Bei Ausgrabungen entdeckte Scherben von typisch griechischen Gefäßen belegen, dass der Ipf in der Eisenzeit zudem ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt im Fernhandelsnetz der Kelten war – sie importierten Luxusgüter sogar aus dem Mittelmeerraum.
Nadja Podbregar
Stand: 31.03.2017