Sprühende Funken, wie von Geisterhand zu Berge stehende Haare und ein seltsames Kribbeln: Mitte des 18. Jahrhunderts sorgt das Phänomen der Elektrizität für Faszination und einen wahren Boom an wissenschaftlichen Versuchen. Dutzende Forscher experimentieren mit statischer Aufladung und erforschen die Wirkungen dieser unsichtbaren Kraft.
Leidener Flasche, Ladungen und ein Stromschlag
Kein Wunder, dass auch Benjamin Franklin sich der Faszination dieses neuen Forschungsfelds nicht entziehen kann. 1746 lernt er bei einem Besuch in Boston die gerade neu erfundene Leidener Flasche kennen – eine frühe Form des Kondensators. Wieder zuhause, bestellt sich Franklin ein Exemplar und beginnt eine Reihe von Experimenten zur Elektrizität. Er erforscht das Phänomen der Ladungen, die Übertragung durch leitfähige Materialien und entwickelt das Konzept für eine Batterie. In seinen Veröffentlichungen dazu prägt Franklin als erster die bis heute gängigen Begriffe Batterie, Ladung sowie positiv und negativ.
Die buchstäblich durchschlagende Wirkung der Elektrizität erfährt Franklin beim Experimentieren am eigenen Leib: Er verpasst sich selbst versehentlich einen Stromschlag. „Es ging ein Schlag durch meinen gesamten Körper vom Kopf bis Fuß“, beschreibt er die Erfahrung. „Danach war das erste, was ich bemerkte, ein gewaltsames Zittern meines Körpers…“
Ist der Blitz ein Funken?
Dieses Erlebnis, gepaart mit den immer wieder beobachteten Funken bei seinen Versuchen, wecken bei dem wissbegierigen Forscher einen Verdacht: Ist womöglich auch das Naturphänomen des Blitzes nichts anders als eine Spielart der Elektrizität – das Überspringen eines gewaltigen Funkens von der Wolke zur Erde?
1749 beschreibt Franklin seine Hypothese in einem Brief so: „Wenn elektrifizierte Wolken über ein Land, hohe Berge, große Bäume, hochaufragende Türme, Kirchtürme, Masten von Schiffen, Schornsteine und so weiter ziehen, dann ziehen diese das elektrische Feuer auf sich und die gesamte Wolke entlädt sich dort.“ Als der Adressat des Briefs diese These vor der renommierten Londoner Royal Society vorstellt, erntet Franklins Idee zunächst nur Spott und Gelächter. Zu gewagt und exotisch ist diese Vorstellung. Ohne einen Beweis ist man nicht gewillt, eine solche These zu akzeptieren.
Das Schilderhaus-Experiment
Wie aber kann man beweisen, dass Blitz und Elektrizität im Prinzip dasselbe sind? Nach einigem Grübeln entwickelt Franklin ein Konzept – das „Schilderhaus-Experiment“. „Man platziere auf einem hohen Turm eine Art Wachhäuschen – groß genug für einen Mann und eine leitfähige Standplatte. Von dieser Platte ragt ein am Ende angespitzter Eisenstab rund zehn Meter in die Höhe“, beschreibt Franklin den Aufbau.
Wenn nun Gewitterwolken über den Stab hinwegziehen, müsste der Stab ihre elektrische Ladung anziehen und die Standplatte mitsamt Mann elektrifizieren. „Auch könnten Funken entstehen – der Stab zieht Feuer aus den Wolken“, so Franklin. Dieses Versuchskonzept überzeugt zwar nicht die Mitglieder der Royal Society, wohl aber den französischen König. Er beauftragt Wissenschaftler, Franklins Beschreibung zu überprüfen und umzusetzen. Im Mai 1752 schaffen es Thomas-François Dalibard und Delor tatsächlich, aus der Gewitterwolke Strom abzuleiten.
Wenig später bekommt auch Franklin seine Chance…