Inzwischen sind sich auch die bislang eifrigsten Verfechter der Forschungsfreiheit darin einig, dass es ganz ohne Beschränkungen nicht geht. Doch damit stellen sich gleich eine ganze Reihe weiterer Fragen: Wo und wie die Grenze ziehen? Und durch wen? Gerade die modernen Technologien sind extrem komplex und bilden ein System, in dem alle Teile voneinander abhängen. Es scheint fast unmöglich, die „schlechten“ Teile der Technologie loszuwerden und nur die „guten“ Teile zu behalten.
Aber genau dies scheint im Falle der Stammzellforschung und der Klonierung der einzig gangbare Weg zu sein. Denn es herrscht immerhin darüber weitestgehend Einigkeit, dass ein Totalverbot der gesamten Forschungsrichtung einen nicht tragbaren Verzicht auf wichtige Therapiefortschritte bedeuten würde. Ray Kurzweil bringt es auf den Punkt: „Sollen wir den Millionen Menschen, die an Krebs leiden oder unter anderen verheerenden Bedingungen leben müssen, sagen, dass wir die Entwicklung aller biotechnologischen Maßnahmen beenden, weil die Gefahr besteht, dass diese Technologien eines Tages für bösartige Zwecke genutzt werden können?“ Sicher nicht.
Doch wie lassen sich Teile eines Forschungsgebiets „sperren“, ohne dass die Fortschritte im gesamten Bereich darunter leiden? Die Reaktionen auf die Entscheidung des amerikanischen Präsidenten nur Forschung an bereits vorhandenen Stammzelllinien zu fördern, zeigt, wie unterschiedlich die Vorstellungen über sinnvolle Grenzen sind.
Während DFG-Präsident Ernst Ludwig Winnacker den Beschluss begrüßt: „Indem Präsident Bush die Forschung an embryonalen Stammzellen mit öffentlichen Mitteln gestattet, erkennt er deren besondere Bedeutung für die Therapieentwicklung an“, schränkt Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn ihre Zustimmung bereits wieder ein: „Ich halte es jedoch für notwendig, dass auch bei uns die Diskussion soweit voran getrieben wird, dass deutschen Wissenschaftlern die Forschung mit embryonalen Stammzellen aus überzähligen befruchteten Eizellen ermöglicht wird.“ Auch vielen Wissenschaftlern gehen die Beschränkungen zu weit: „Die Grenzen, die er uns auferlegt hat, könnten unsere Forschung ernsthaft hemmen“, so Doug Melton, Zell- und Molekularbiologe der Harvard-Universität.
Letztendlich könnten all jene Wissenschaftler Recht behalten, die die jetzige Debatte eher gelassen nehmen. Sie setzen darauf, dass sich mit dem Fortschreiten der Technologie auch die Grenzen verschieben. Die heute unter großem Trara getroffenen Bestimmungen wären dann morgen ohnehin nur noch Schnee von gestern…
Stand: 21.08.2001