Die lichtdurchflutete Ursuppe ist out, das brodelnde Inferno der hydrothermalen Schlote dagegen in – so jedenfalls die provokante These einiger Evolutionsforscher, die sich mit den hydrothermalen Schloten als möglichen Kandidaten für die Brutstätte des Lebens beschäftigen.
In den gut 20 Jahren seit der Entdeckung der unterseeischen Geysire hat die Erforschung dieser bizarren Lebensgemeinschaften einige neue Erkenntnisse gebracht – und mit ihnen auch immer neue Fragen. Entstand vor Milliarden von Jahren das Leben auf der Erde vielleicht nicht, wie bisher angenommen an der Meeresküste sondern in der Tiefsee? Waren die höllischen Schlote der „Black Smoker“ vielleicht in Wirklichkeit der Garten Eden unseres Planeten?
Für Everett Shock von der Washington Universität in St. Louis ist die Antwort klar: Die Schlote sind die Wiege des Lebens. Hier, wo sich heißes mineralienreiches Wasser aus dem Erdinneren und kaltes Tiefenwasser mischen, herrschten vor 3,5 bis 3,8 Milliarden Jahren ideale Bedingungen für die Entstehung der ersten organischen Moleküle und aus ihnen der ersten Zellen. An der Oberfläche des Meeres dagegen, glaubt der Forscher, war es in der Frühzeit der Erde viel zu unsicher und instabil: Ständig schlugen Meteoriten ein und die harte Strahlung aus dem Weltraum hätte dem neu entstandenen Leben sofort wieder den Garaus gemacht.
Auch John Baross, Biologe der Universität von Washington, ist dieser Ansicht: „Der einzige sichere Platz, an dem auch das lebensnotwendige Wasser vorhanden war, ist in der Nähe der hydrothermalen Schlote.“ So lebensfeindlich die Bedingungen in 2.500 Metern Tiefe erscheinen mögen, Experimente zeigen, dass auch unter dem extremen Druck und dem Dauerdunkel der Tiefsee die molekularen Bausteine des Lebens durchaus entstehen können.
Wissenschaftlern der Carnegie University in Washington gelang es, aus Nitrat, Eisensulfid und Wasser bei 500°C und einem Druck von 500 Atmosphären Ammoniak herzustellen – eine notwendige Vorstufe für die Bildung komplexerer Moleküle. Die deutschen Chemiker Günter Wächtershäuser und Claudia Huber von der TU München sehen in den Metallsulfiden der Schwarzen Raucher die entscheidenden Katalysatoren für die ersten Schritte des Lebens. In ihren Experimenten koppelten sich sogar Aminosäuren bei 100 °C und hohem Druck zu Peptiden zusammen – und vollzogen damit einen weiteren Schritt in Richtung Leben.
Inzwischen liefern auch genetische Untersuchungen an den schlotbewohnenden Schwefelbakterien den Verfechtern dieser neuen Theorie des „Garten Eden der Tiefsee“ weitere Indizien. Eine Analyse ihres Erbguts ergab, dass sie keiner der bestehenden Großgruppen der Organismen zuzuordnen sind. Die neu entdeckten Bakterien bilden offenbar neben den Einzellern ohne Zellkern und den Organismen mit Zellkern, zu dem alle höheren Lebewesen zählen, einen dritten Ast am Stammbaum des Lebens – das Reich der Archaebakterien, den urtümlichsten Organismen.
Doch trotz vieler Indizien und neuer Theorien ist die Frage nach dem Ursprung allen irdischen Lebens noch lange nicht endgültig geklärt, zu vieles liegt noch im Dunkeln – im Fall der hydrothermalen Schlote sogar im wahrsten Sinne des Wortes.
Stand: 27.08.2000