Etwa fünfzig Prozent der aus dem Reaktor emittierten Aktivität bestand aus dem radioaktiven Edelgas Xenon-133. Da sich radioaktive Edelgase nur zu einem äußerst geringen Teil in der Umwelt und bei Inhalation in der Lunge ablagern, sind andere Radionuklide für die Strahlenexposition der Bevölkerung von wesentlich größerer Bedeutung. Dies sind insbesondere Jod-131 mit einer Halbwertszeit von acht Tagen, Cäsium-134 mit einer Halbwertszeit von zwei Jahren und Cäsium-137 mit einer Halbwertszeit von 30 Jahren.
Strontium und Plutonium wurden vor allem in der näheren Umgebung des Tschernobyl-Reaktors abgelagert und spielten deshalb für andere Regionen eine nur untergeordnete Rolle.
Insgesamt wurden 200.000 Quadratkilometer mit über 37 kBq Cäsium-137 pro Quadratmeter (ein Curie pro Quadratkilometer) kontaminiert. Dies bedeutet, dass in den ersten Monaten nach der Ablagerung in jeder Sekunde mehr als 37.000 Cäsium-137-Atome je Quadratmeter Boden zerfallen sind und Gamma-Strahlung ausgesendet haben. Nach 20 Jahren hat sich die abgelagerte Cäsium-137-Aktivität auf Grund dieser Zerfälle um ein Drittel verringert. 71 Prozent der verseuchten Gebiete liegen in der Ukraine, in Weißrussland und Russland. In Deutschland gehören einige Orte am Alpenrand zu den kontaminierten Regionen.
Tabletten, Konsumverzicht und Unterpflügen
Durch die Ablagerungen der Radionuklide wurden auch Lebensmittel radioaktiv belastet. Insbesondere war die Jod-131-Kontamination von Milch und – in geringerem Maße – von Blattgemüse von Bedeutung. Folgende Maßnahmen wurden ergriffen, um die Belastung von Mensch und Tier möglichst gering zu halten:
– Einnahme von Tabletten mit stabilem Jod, um die Aufnahme von Jod-131 in die menschliche Schilddrüse zu vermindern. Dies wurde mit gutem Erfolg in Polen durchgeführt. Die Jodprophylaxe wurde auch – allerdings nur in geringem Maße – von Arbeitern am Unfallort, von den aus der Stadt Pripyat evakuierten Menschen und den Bewohnern einiger weißrussischer Orte angewendet.
– Verbot des Verzehrs von stärker kontaminierter Milch. Dieses Verbot wurde in den ersten Maitagen nach dem Unfall in einigen Gebieten Weißrusslands, aber auch in den höher belasteten Gebieten Deutschlands verhängt.
– Verlängerung der Fütterung mit nicht kontaminiertem Winterfutter und Verarbeitung höher kontaminierter Milch zu lagerbaren Milchprodukten, damit die Aktivität abklingen kann. Diese beiden Maßnahmen wurden in den kontaminierten Regionen Südbayerns durchgeführt.
– Unterpflügen von kontaminiertem Blattgemüse. Diese Maßnahme wurde ebenfalls in den kontaminierten Gebieten Süddeutschlands angeordnet.
Keine Gefahr mehr durch Jod-131
In Polen und in Süddeutschland wurde durch diese Maßnahmen ein wesentlicher Teil der potentiellen Jod-131-Exposition der Bevölkerung vermieden. Der Erfolg in der ehemaligen Sowjetunion war allerdings wegen der späten Anwendung und der mangelhaften Informationspolitik nur mäßig.
Spätestens seit August 1986 sind Kontaminationen mit Jod-131 auf Grund seiner kurzen Halbwertszeit – nach acht Tagen ist die Hälfte seiner Aktivität abgeklungen – nur noch sehr geringfügig vorhanden.
Stand: 21.04.2006