„Prognosen sind immer schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen.“ Dieser Aussage von Niels Bohr würden sicher zahlreiche Meteorologen seufzend zustimmen, denn eine hundertprozentig richtige Wettervorhersage kann bis heute keiner liefern. Obwohl die neusten High-Tech-Geräte und die modernsten Computer zum Einsatz kommen, kann selbst für nur eine Woche im Voraus das Wetter lediglich mit einer 70 prozentigen Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden. Langfristige Vorhersagen, die sich auf die nächsten Wochen und Monate beziehen, kommen noch weitaus schlechter weg.
Schuld daran ist die Tatsache, dass sich das Wetter wie ein chaotisches System verhält. Unzählige Faktoren, von denen längst nicht alle über Wetterstationen erfasst werden können, beeinflussen das System zu jedem Zeitpunkt. Jede Änderung eines Faktors hat wieder Auswirkungen auf den ganzen Komplex. Will man das Wetter also mit mathematischen Modellen vorhersagen, beeinflusst das Ergebnis eines Rechenschrittes die Grundlage für den nächsten Schritt – das System ist nicht linear.
Derartige Rechnungen sind sehr aufwendig, weshalb die chaotische Natur der Wetterentwicklung auch erst bemerkt wurde, als die ersten Computer aufkamen. Die Entdeckung des Phänomens war damals reiner Zufall: 1963 speiste der Meteorologe Edward Lorenz seinen Computer mit einigen Wetterdaten, um eine Vorhersage zu erstellen. Die Computer waren damals natürlich noch längst nicht so leistungsstark wie heute, der Rechner war schnell überlastet. Lorenz stoppte also die Operation und rundete die Daten in der dritten Stelle hinter dem Komma ab, dann ließ er das Programm erneut am Anfang der Berechnung starten. Erwartungsgemäß hätte der Computer nun die selbe Voraussage nochmal berechnen sollen, das Ergebnis wich aber stark ab: Nach der ersten Prognose sollte die Sonne scheinen, die zweite sagte Regen voraus. Und dabei waren die Ausgangsdaten identisch – bis auf die winzige Ungenauigkeit der Abrundung, die die Zahl um weniger als ein Tausendstel beeinflusste.
Da die Änderung, die Lorenz vornahm, nicht viel mehr als eine winzige Änderung der Windgeschwindigkeit ausmachen konnte, wurde diese Erscheinung oft mit dem oft zitierten Schmetterlingseffekt verdeutlicht. Diesem zufolge kann in einem komplexen System wie dem Wetter der Flügelschlag eines einzelnen Schmetterlings die Lage über eine Reihe von Kettenreaktionen so verändern, dass ein ganzer Wirbelsturm entsteht. Kein allzu abstraktes Beispiel: Der Orkan „Lothar“ erschien in der Nacht vom 25. auf den 26. Dezember 1999 wie aus dem Nichts aus einem zunächst harmlosen Tief.
Doch nicht nur das Wetter, auch das gesamte Klima scheint dem Chaos zu unterliegen. Auswertungen von Bohrkernen im grönländischen Inlandeis zeugen von chaotischen Umschlägen und rasanten Klimaübergängen.
Ganz genau werden wir es wahrscheinlich nie wissen. Selbst wenn den Meteorologen sämtliche das Wetter beeinflussende Faktoren bekannt wären – eine hundertprozentig zutreffende Vorhersage wäre auch dann nicht möglich. Mit den nichtlinearen Gleichungen, mit denen das Wetter vorausberechnet wird, lassen sich immer nur Wahrscheinlichkeiten angeben und keine absoluten Aussagen treffen. Aber ein Trost bleibt uns: Immerhin ist die Wettervorhersage in den letzten Jahren mit zunehmender Technisierung immer genauer geworden. Wenn auch keineswegs unfehlbar.
Stand: 26.09.2002