Erdrutsche und Steinschläge gehören für den Menschen wohl zu den tödlichsten Nebenwirkungen der Erosion. Wenn solche Massenbewegungen eine dicht besiedelte Region treffen, können die Folgen fatal sein: So starben 1970 in Südamerika 18.000 Menschen bei einer einzigen Schlamm- und Gerölllawine, 1985 kamen in Kolumbien bei einer ganzen Serie solcher Erdrutsche sogar fast 25.000 Menschen ums Leben.
Normalerweise ist die Bodenabtragung an Hängen für Menschen ungefährlich und in den wenigsten Fällen direkt wahrnehmbar. Denn solange der Boden nur feucht ist, hält die Oberflächenspannung eines dünnen Wasserfilms die Bodenteilchen zusammen und festigt so den Untergrund. Wenn allerdings überdurchschnittlich viel Niederschlag fällt, ist die Saugkraft des Bodens schnell erschöpft und das überschüssige Wasser drückt die Bodenkörner auseinander. Es fließt nicht nur oberflächig ab, sondern wirkt zugleich wie ein Schmiermittel und macht den Boden instabil. Eine Mixtur aus Wasser, Stein und Schlamm entsteht. Beste Voraussetzungen für einen Erdrutsch oder eine Schlammlawine.
Ungeklärter Auslöser
Doch was laienhaft betrachtet so einfach aussieht – umso mehr Wasser, desto schneller ein Erdrutsch – stellt die Wissenschaft immer noch vor ernsthafte Probleme. Denn Massenbewegungen gehören zu den natürlichen chaotischen und hochkomplexen Vorgängen. Einig sind sich die Forscher lediglich, dass wohl mikroskopisch kleine Vorgänge zwischen den einzelnen Bodenpartikeln entscheidend für die Entstehung des Erdrutsches sind. So gibt es denn bislang auch, ähnlich wie bei Erdbeben, kein zuverlässig arbeitendes Frühwarnsystem. Auch die Frage, warum manche Regionen jahrzehntelang von Erdrutschen verschont bleiben und dann wie aus dem Nichts von einer Vielzahl von Massenbewegungen heimgesucht werden, ist nach wie vor ungeklärt.
Rätselhaft bleibt jedoch nach wie vor, was genau im Inneren eines Erdrutschhanges vor sich geht. „Wir haben viele Theorien, aber nur wenige harte Fakten“, so Dave Montgomery von der University of Washington’s Quaternary Research Center. „Sicher ist, dass einige Erdrutsche – vor allem bei sandigen Böden – als langsame Erdbewegung beginnen. Wenn ein einigermaßen großer Bereich in Bewegung gerät, geht der Rest ganz schnell. Erdrutsche bewegen sich mit einer Geschwindigkeit von bis zu zehn Metern pro Sekunde.“
Hausgemachtes Problem
Als sicher gilt hingegen, dass in fast 40 Prozent aller Fälle der Mensch einen Erdrutsch selbst auslöst oder begünstigt, zum Beispiel durch Hanganschnitte für den Straßenbau, Aufschüttungen oder andere Baumaßnahmen. Zusätzlich haben auch schon länger zurückliegende menschliche Eingriffe noch heute massive Auswirkungen auf die Hangstabilität. Vor allem die schon im Mittelalter begonnene großflächige Rodung der Hangwälder hat vielerorts zu kahlen Bergflächen geführt, die der Erosion schutzlos ausgesetzt sind.
So gilt denn auch als beste Prävention nach wie vor die Wiederaufforstung der Hänge. Denn die Vegetation wirkt einerseits wie ein riesiger Regenschirm für den Boden und verlangsamt so seine Durchnässung, andererseits festigt das Wurzelwerk den Zusammenhalt des Erdreichs und verhindert gleichzeitig eine großflächige Abspülung. Zusätzlich versuchen Wissenschaftler und Techniker vielerorts durch Entwässerungsmaßnahmen oder Stützmauern die Erosionsgefahr in den Griff zu bekommen. Vielerorts sind diese Maßnahmen von Erfolg gekrönt, vollständig bannen können sie die Erdrutschgefahr allerdings auch nicht.
Stand: 04.03.2005