Eigentlich war Ronny Poppschötz, Geograph an der Humboldt-Universität Berlin, im Tagebau Jänschwalde in der Niederlausitz unterwegs, um Indizien für die Entstehung und Entwicklung des Spreewalds zu finden. Vor allem wären ihm Hinweise auf frühere Flussläufe von Spree und Neiße recht gewesen. Damit wollte er rekonstruieren, wie diese Kulturlandschaft in der Niederlausitz sich in den letzten 10.000 Jahren entwickelt hat, nach dem Ende der letzten Eiszeit also. Was er dann entdeckte, kam geradezu einer Chronik über diesen Zeitraum gleich.
Wasser oder Wind?
Ein offener Kohletagebau wie in Jänschwalde ist fast ein Geschenk für Geomorphologen, die anhand von Sedimenten ehemalige Oberflächenformen von Landschaften rekonstruieren. Denn die Abraumbagger legen hier Schicht für Schicht Tausende Jahre alte, eiszeitliche Sedimente frei, bis sie sich zur Kohle vorgearbeitet haben. Wissenschaftler wie Poppschötz lesen in den angeschnittenen Erdschichten wie in einem Buch.
Schon bevor der Bagger begonnen hatte, die ersten Schichten freizulegen, hatte der Geograph erkannt, dass sich an dieser Stelle eine fossile Düne verbergen musste. Über die Ausmaße und das Alter war Poppschötz dann aber selbst überrascht. Das aufgrund seiner Form als Parabeldüne klassifizierte „Fundstück“ hatte etwa zwei Kilometer langen Schweife und verlief von West nach Ost.
Botschaft aus der Steinzeit
Anhand von Feuersteinabschlägen stellten Poppschötz und an dem Forschungsprojekt beteiligte Archäologen fest, dass einer der ältesten Böden in der Düne sich schon im Paläolithikum, der Steinzeit, entwickelt hatte. „Die Düne muss noch älter als etwa 11.000 Jahre sein,“ so Poppschötz. Denn die Bodenhorizonte markieren immer solche Zeitabschnitte, in denen die Düne von Vegetation bewachsen wurde und sich auf dem Dünensand langsam eine humushaltige Schicht bildete. Holzkohlereste, die sich nahe der Schicht-Übergänge zwischen einem Bodenhorizont und den darüberliegenden Sanden fanden, ließen darauf schließen, dass die Vegetation meist durch Brände verschwand. „Durch den fehlenden Bewuchs, wurde die Düne wieder aktiviert,“ so Poppschötz. Das Ganze hat sich mehrmals abgespielt, bis die Düne erst vor etwa 50 Jahren endgültig überwuchert wurde und unter Bodenschichten verschwand.
Wind aus West – Süd-West
Noch etwas fiel Poppschötz auf. Bisher war man davon ausgegangen, dass am Ende der letzten Eiszeit vorwiegend Westwinde geweht hatten. Erst mit Beginn der Warmzeit begannen die auch heute überwiegenden Südwestwinde, stärker zu dominieren. „Doch diese Theorie ‚sieht’ man in der Düne nicht,“ so Poppschötz. Anhand der millimeterfeinen Sand-Schichten im Kern der Dünenschweife rekonstruierte der Geograph, dass der Wind schon als die Düne „wuchs“ häufig aus Südwest geweht haben musste. „Die Lage der Schichten lässt keine andere Interpretation zu, als dass die Düne in den aktiven Phasen stets nach Westnordwest wanderte“. Die Winde wehten demnach aus ähnlichen Richtungen wie heute, so Poppschötz.
Zeugen der Eiszeit
Die Düne im Tagebau Jänschwalde ist durchaus kein Einzelphänomen. So genannte Binnendünen gibt es noch heute in ganz Mittel- und Nordeuropa, die meist deutlich als bewachsene Hügel aus „Ostseesand“ in der Landschaft zu erkennen sind. Die schönsten und größten Exemplare von ihnen sind wie die Düne des Berliner Geographen am Ende der letzten Eiszeit entstanden. Nachdem das Inlandeis abgeschmolzen war, siedelten sich bei noch immer sehr kaltem Klima – durchschnittlich etwa zehn Grad kälter als heute – nur langsam erste Pionierpflanzen einer Tundrenvegetation an. Auch Bäume gab es noch keine, und so konnte der Wind ungebremst über das Land wehen. Während der Sand nicht ganz so weit transportiert und an kleineren Hindernissen zu Dünen aufgehäuft wurde, gelangten kleiner Staubpartikel bis an den Rand der deutschen Mittelgebirge, wo sie zu Lössdecken anwuchsen.
Stand: 24.11.2006