Durch die Corona-Impfstoffe sind mRNA-Wirkstoffe bekannt geworden – es war der erste groß0e Einsatz dieser neuen Technologie. Doch dass sich mRNA dazu eignet, das Immunsystem zu stimulieren und eine gezielte Abwehrreaktion hervorzurufen, bewiesen Experimente schon Anfang der 1990er Jahre. Damals gelang es Wissenschaftlern der Firma Transgéne erstmals bei Mäusen, mit einem in Lipidpartikel verpackten mRNA eine Immunreaktion gegen ein Protein hervorzurufen.
Damit eröffnete sich die Chance, mRNA-basierte Ansätze auch als Impfstoff einzusetzen – gegen die Erreger von Infektionskrankheiten, aber auch gegen Krebs. Denn wenn man mittels mRNA die Zellen des Körpers dazu bringt, beispielsweise das Oberflächenprotein eines Virus und damit sein Erkennungsmerkmal zu produzieren, kann das Immunsystem dieses vor der Infektion kennenlernen und entsprechende Antikörper und Abwehrzellen produzieren.
Schneller, einfacher und flexibel anpassbar
Die Vorteile der mRNA-Technologie liegen dabei auf der Hand: mRNA kann im Labor mithilfe von Enzymen direkt aus seinen chemischen Bausteinen zusammengesetzt werden. Der Gencode der RNA lässt sich dadurch schnell und gezielt auf bestimmte Erreger hin maßschneidern. Anders als beispielsweise beim klassischen Grippeimpfstoff, der aufwendig über Monate in Hühnereiern herangezüchtet und vermehrt werden muss, lassen sich zudem in relativ kurzer Zeit viele Dosen herstellen. Das beschleunigt sowohl die Tests und klinischen Studien vor der Zulassung als auch die Massenproduktion des fertigen Impfstoffs – vorausgesetzt das Knowhow ist vorhanden.
Entsprechend verdanken BioNTech und Moderna ihren schnellen Start auch Jahren der Vorarbeit unter teils schwierigen Bedingungen. Beide als Startups begonnene Unternehmen setzten schon zu einer Zeit auf die mRNA-Technologie, als große Pharmafirmen und andere Investoren zwar theoretisch Potenzial sahen, aber in der Praxis eher abwinkten: RNA galt als zu instabil und unerprobt, der Beweis, dass solche Impfstoffe tatsächlich effektiv wirken und verträglich sind, stand noch aus.
Covid und noch mehr
Inzwischen haben die mRNA-Vakzinen eindrücklich bewiesen, was sie leisten können: Die Impfstoffe von Moderna und BioNTech/Pfizer gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 wurden in Rekordzeit entwickelt und getestet und gehören heute zu den effektivsten Waffen gegen SARS-CoV-2. „Die jüngsten Erfolge mit Impfstoffen gegen Covid-19 unterstreichen die Vorteile der mRNA-basierten Plattformen – darunter vor allem das hochgradig zielgenaue Design, die flexible und schnelle Produktion und die Fähigkeit, eine starke Immunreaktion hervorzurufen“, sagt Evelena Angov vom Walter Reed Army Institute of Research.
Dieser Durchbruch hat inzwischen auch der Forschung anderen mRNA-basierten Impfstoffe Rückenwind verschafft. Angov und ihr Team arbeiten an einem mRNA-Vakzin gegen Malaria, das die Bauanleitung für ein Protein des Malaria-Erregers Plasmodium faliciparum kodiert. Bei Mäusen hat ihr Impfstoff-Kandidat bereits eine hohe Schutzwirkung unter Beweis gestellt, jetzt sollen klinische Studien folgen. Erste klinische Tests beim Menschen laufen dagegen bereits mit einem mRNA-Impfstoff gegen Tollwut, der effektiver sein soll als die bisher gegen das Rabies-Virus eingesetzten Vakzine.
Mit mRNA gegen die saisonale Influenza
Ebenfalls in der Entwicklung sind gleich mehrere mRNA-Impfstoffe gegen die Influenza. Bisher ist die Herstellung von Impfstoffen gegen die saisonale Grippe immer ein Vabanque-Spiel, weil die Impfviren schon Monate vor Beginn der Grippewelle herangezüchtet und vermehrt werden müssen. Welche Varianten der Influenzaviren dann tatsächlich ab Herbst kursieren, lässt sich zu diesem frühen Zeitpunkt nur schätzen. Weil die mRNA-Produktion deutlich schneller geht, könnte dies die Treffsicherheit der Vakzinen erhöhen.
Gleich drei Pharma-Unternehmen testen zurzeit einen mRNA-Grippeimpfstoff in klinischen Studien der Phase I/II. Zwei davon, Pfizer/BioNTech und Sanofi nutzen dafür mRNA, das zunächst nur die Bauanleitung für das Oberflächenprotein eines Influenza-Stammes enthält. Moderna hat gerade eine Studie mit einem quadrivalenten Vakzin begonnen, das den Code für vier verschiedene Influenza-Varianten beinhaltet. Damit ist dieser Impfstoff ähnlich umfassend wie schon jetzt die saisonalen Grippe-Vakzinen.
Fernziel von Moderna und auch seinen Konkurrenten ist es, künftig mit nur einer Impfung gleich gegen mehrere Atemwegsinfekte zu schützen. Möglich wird dies, weil sich mRNA für ganz unterschiedliche Proteinen in einem Lipidbläschen verpacken lässt. „Unsere Vision ist es, zukünftig einen Atemwegsimpfstoff für die erwachsene und ältere Bevölkerung zu entwickeln, der die saisonale Grippe, einen Booster gegen SARS-CoV-2-Varianten und das Respiratorische Syncytial-Virus (RSV) kombiniert“, beschreibt Moderna das Ziel.