Hände waschen und Hygiene – in Zeiten von Corona ist dieser Teil der „AHA-Regel“ eine wichtige Säule der Pandemie-Bekämpfung. Denn er soll verhindern, dass sich Menschen durch Schmierinfektion anstecken. Neu ist diese Idee aber keineswegs. Schon vor 4.000 Jahren setzten Heilkundige in Mesopotamien auf ähnliche Hygienemaßnahmen.
Reinigen und Ausräuchern
Eine Art Desinfektion praktizierten babylonische Heiler beispielsweise, bevor sie sich auf den Weg zu einem erkrankten Patienten machten: „Der Heilkundige sprach erst eine Beschwörung für sich selbst und rieb sich die Hände mit einer speziellen, aus einer Reinigungspflanze, Sirup und Schmalz hergestellten Salbe ein“, berichten Forscher des Vorderasiatischen Museums in Berlin. Während die Beschwörung vor den krankmachenden Gottheiten schützen sollte, sorgte das Einreiben der Hände ganz praktisch für eine Reinigung.
Eine ähnliche Verknüpfung von magischer und praktischer Seuchenabwehr setzten die Babylonier auch in größerem Stil ein. So berichten einige Keilschrifttexte von Ritualen, mit denen Städte vor einer Seuche bewahrt werden sollten. „Diese kulminierten in der Verbrennung großer Hauen von Pflanzenteilen“, berichtet der dänische Assyrologe Troels Arbøll. Dabei dienten diese rauchenden Feuer offenbar auch der Ausräucherung potenziell infektiöser Gebäude.
Die Beseitigung von verseuchten Gegenständen war ebenfalls Teil der babylonischen Dekontaminationsstrategie, wie Arbøll erklärt. Ein Zeugnis von dieser Praxis findet sich auf einer Keilschrift-Tontafel aus der Zeit um 1800 vor Christus. Sie enthält einen Brief des assyrischen Königs Shamshi-Adad an seinen Sohn Yasmah-Addu. „In diesem befiehlt er seinem Sohn, eine Gruppe von kranken Soldaten zu isolieren und einzusperren und ihre Rüstung in einem Tempel zu verbrennen“, berichtet der Forscher.
Gefahr Tier
Und noch eine Gefahr kannten die Menschen im alten Mesopotamien offenbar schon: die Übertragung von Krankheiten durch Tiere. Heute wissen wir, dass die meisten neuauftretenden Infektionskrankheiten aus dem Tierreich stammen – auch die Corona-Pandemie ist eine solche Zoonose. Ihr Erreger SARS-CoV-2 entwickelte sich in Fledermäusen, bevor er in China den Artsprung auf uns Menschen schaffte.
In Mesopotamien war man sich der Übertragbarkeit von Tierkrankheiten offenbar ebenfalls bewusst. So wurden einige Tierseuchen mit den gleichen Begriffen bezeichnet wie die korrespondierende Menschenkrankheit. Und wenn Tiere erkrankten, wurden auch sie teilweise unter Quarantäne gestellt. So berichtet eine Keilschrifttafel von einem Schafbesitzer, der seine Herde eigentlich in die nächste Stadt treiben wollte. Als die Tiere jedoch krank wurden, ergriff er Vorsichtsmaßnahmen, wie aus dem Brief dieses Mannes hervorgeht: „Ein Gott schlug meine Schafe mit Krankheit und bis ich die Beziehung zu dem Gott wieder in Ordnung gebracht hatte, hielt ich die Schafe bei mir zurück.“
Ein erster Hotspot der Epidemien?
Mesopotamien mit seinen dichtbevölkerten Städten und dem engen Kontakt der Menschen zu ihren Nutztieren könnte zu jener Zeit vielleicht ein ähnlicher Hotspot für Krankheitsausbrüche gewesen sein wie heute China oder Afrika. „Die Menschen im alten Mesopotamien lebten eng mit ihren Tieren zusammen. Einige Tiere, wie Kühe, trugen sogar Menschennamen“, erklärt Arbøll. “ Und selbst in den dichtbevölkerten Militärlagern lebten die Menschen gemeinsam mit Pferden und anderen Tieren in engen Unterkünften.“
Insofern wundert es nicht, dass die Babylonier und Assyrer schon vor 4.000 Jahren lernten, mit Seuchen zu leben und mit ihnen umzugehen. Auch wenn sie nicht wussten, was diese Infektionen verursacht, nutzten sie basierend auf ihren Erfahrungen schon viele Gegenmaßnahmen, die uns auch heute wieder begleiten – vom Händewaschen und der Reinigung kontaminierter Gegenstände bis zu Social Distancing und Quarantäne.