Auf den ersten Blick scheint es ganz einfach: Ein junger Protostern zieht Gas und Staub an sich und wächst dadurch zum Stern heran. Schließlich sorgt ja seine zunehmende Schwerkraft dafür, dass das nötige „Futter“ aus der umliegenden Wolke angezogen wird – so könnte man meinen.
Kreisender Vorrat mit Lücke
Doch das ist ein Irrtum. Denn das von dem Sternenbaby angesaugte Material stürzt nicht in direkter Linie auf den Protostern hinab – es wird auf eine Kreisbahn gezwungen. Die Lage des gemeinsamen Massenschwerpunkts und die Drehimpulserhaltung sorgen dafür, dass die vom Protostern angezogenen Gas- und Staubmassen eine rotierende Akkretionsscheibe bilden. Durch Reibungsprozesse in dieser Scheibe verliert ein Teil des Materials am inneren Rand allmählich Energie, wird langsamer und stürzt schließlich in gebogener Bahn auf den Protostern.
Das Problem jedoch: Die stärker werdende Strahlung des Protosterns wirkt dieser Akkretion entgegen. Sie fegt einen oft mehrere Sternenradien breiten Bereich zwischen rotierender Materiescheibe und Sternenoberfläche frei – und droht so, den heranwachsenden Sternenembryo von seinem Futternachschub abzuschneiden.
Der Fall TW Hydrae
Besonders gut ist dies bei dem nur rund 180 Lichtjahre entfernten T-Tauri-Stern TW Hydrae zu sehen. Dieser rund acht Millionen Jahre alte Protostern kehrt uns die Breitseite seiner zirkumstellaren Scheibe zu, dadurch ist ihre Struktur gut erkennbar. „Das macht ihn zum idealen Kandidaten, um zu untersuchen, wie Materie von einer planetenbildenden Scheibe auf die Sternoberfläche geleitet wird“, erklärt Rebeca García López vom Max-Planck-Institut für Astronomie.
Schon seit mehreren Jahren beobachten Astronomen diesen T-Tauri-Stern daher intensiv mit Radioteleskopen und mit dem Hubble-Weltraumteleskop. Die Aufnahmen zeigen unter anderem, dass zwischen dem Innenrand der Scheibe und dem Stern eine deutliche Lücke klafft. „Die Präsenz dieses inneren Lochs und der geringe Infrarot-Überschuss machen TW Hydrae zum typischen Vertreter eines Protosterns mit ‚Übergangsscheibe'“, erklären López und ihre Kollegen.
Das bedeutet: Der starke Sternenwind und die in der zirkumstellaren Scheibe heranwachsenden Planeten sind schon dabei, den rotierenden „Futtervorrat“ dieses Protosterns aufzulösen. Eigentlich dürfte TW Hydrae daher kaum noch wachsen, weil er nicht mehr an das Material herankommt. Im inneren Bereich der Scheibe müsste der Sternenwind zudem schon fast alles Gas weggeweht haben. Doch seltsamerweise scheint dies den Protostern nicht zu interessieren: Er wächst weiter und verleibt sich Messungen zufolge noch immer rund 2,3 Milliardstel Sonnenmassen pro Jahr ein – für einen Protostern dieses Stadiums ist das ziemlich viel.
Umgelenkte Ströme
Aber wie kommt TW Hydrae an dieses „Futter“ heran? Nähere Analysen der vom Protostern und seiner Scheibe freigesetzten Strahlung ergaben, dass es einen Materiestrom vom Innenrand der Scheibe auf die Sternenoberfläche gibt. Diese Gase bewegen sich aber nicht in der äquatorialen Ebene, in der auch die zirkumstellare Scheibe liegt. Stattdessen macht das zum Stern gezogene Material eine Biegung: Es fließt offenbar in Richtung der stellaren Pole, um dann dort auf die Sternenoberfläche hinabzufallen.
Das wirft die Frage auf, warum das Material diesen Umweg macht und welche Kräfte es dazu bringen: Was hilft diesem „Sternenfutter“ dabei, trotz des Gegenwinds zum Protostern zu gelangen?