In der Weite der peruanischen Pampa – „weite Ebene“ – verbirgt sich ein weiteres der großen ungelösten Rätsel unserer Erde – die Bodenzeichnungen (Geoglyphen) von Nazca. Dabei handelt es sich um kilometerlange Linien und geometrische Figuren, die offenbar in die Erde gescharrt wurden, weshalb sie in der Fachwissenschaft auch als Scharrbilder bezeichnet werden. Derartige Linien existieren außer in Peru auch in Bolivien und Chile.
Der amerikanische Kulturhistoriker Paul Kossok entdeckte 1939 die Nazca-Linien. Ungefähr 40 Geoglyphen – verschiedene Tiergestalten vom Kolibri, Affen bis hin zur Spinne, Pflanzen, menschliche Figuren und vor allem Spiralen – übersähen den ausgetrockneten Boden der Pampa. Über zum Teil zehn Kilometer erstrecken sich die Linien und Figuren, die aber nur aus der Luft als solche zu erkennen sind. Sie „überspringen“ ausgetrocknete Flussbetten, steigen Berge empor und setzen sich auf der anderen Seite wieder fort. Hinter der scheinbar chaotischen Anordnung im Geröllboden scheint aber durchaus ein System zu stecken, das ein geordnetes Netz ergibt. Insgesamt erstrecken sich die Scharrbilder über mehr als 500 Quadratkilometer; sie sind 60 Kilometer lang und bis zu 15 Kilometer breit.
Neben Figuren und Linien gibt es hier auch noch ausgedehnte steinfreie Flächen – Dreiecke, Rechtecke oder Trapeze – deren Funktion ebenfalls noch nicht einmal ansatzweise aufgeklärt ist. Aus dem Flugzeug erinnern sie an riesige Landebahnen. Doch wer sollte hier gelandet sein?
Spuren eines untergegangenen Volkes
Die 590 Meter hochgelegene Kleinstadt Nazca – mit ihren circa 23.000 Einwohnern direkt an der Panamericana gelegen – hat den Geoglyphen ihren Namen gegeben. Die Scharrbilder sind ungefähr 20 Kilometer von der Stadt entfernt. Wer jedoch hat dieses einzigartige Monument knapp 500 Kilometer südlich von der Landeshauptstadt Lima errichtet?
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Stadt einst das Zentrum der bedeutenden Nazca-Kultur war. Sie entwickelte sich zwischen 200 vor Christus bis 800 nach Christus und dominierte damals diesen südlichen Küstenabschnitt. Die Indianer hinterließen der Nachwelt zahlreiche kunstvolle Webarbeiten und Keramiken. In leuchtenden Erdfarben stellten sie damals vor allem die Natur dar – keimende Bohnen und Chilischoten, Meerschweinchen, Kolibris und Killerwale verzierten Töpfe und Stoffe. Außerdem konstruierten die Nazca ausgeklügelte Bewässerungssysteme, mit teilweise unterirdischen Kanälen. Das war in der subtropischen Wüste mit einer jährlichen Niederschlagsmenge zwischen null und 25 Millimetern die einzige Möglichkeit, um erfolgreich Ackerbau zu betreiben. Neun Jahrhunderte vor der Blütezeit der Inkas, vermutlich im 6. Jahrhundert, schufen die indianischen Bewohner der trockenen Hochebene zwischen Pazifik und Anden schließlich die geheimnisvollen Linien im Süden von Peru.
Die Bodenbilder bestehen dabei aus fast 30 Zentimeter tief in die Erde gescharrten Linien. Um diese herzustellen, musste die oberste Schicht mit dem dunklen, rötlichen Kies entfernt werden, so dass der hellgelbe Untergrund zum Vorschein kam. Dadurch heben sich die Figuren und Linien kontrastreich von der Umgebung ab. Um den Kontrast noch weiter zu verstärken, schütteten die Indianer die dunklen Steine an den seitlichen Begrenzungslinien wieder auf. Die fast völlige Windstille in der Pampa „konservierte“ die Linien dann bis in unsere Zeit. Wissenschaftler vermuten zudem, dass sich die Geoglyphen aufgrund der morgendlichen Küstennebel und der damit verbundenen Feuchtigkeit über Jahrhunderte halten konnten.
Stand: 08.11.2003