Israel, Anfang der 1970er Jahre. Der Chemiker Sydney Loeb forscht zusammen mit Srinivasa Sourirajan an neuen, leistungsfähigeren Membranen zur Entsalzung von Meereswasser – mit Erfolg. Der Wissenschaftler von der Ben-Gurion Universität hat aber noch einen weiteren Geistesblitz. Er postuliert, dass man solche dünnen Häutchen auch nutzen könnte, um mithilfe der Osmose gewaltige Mengen an Energie zu produzieren.
Osmose steckt dahinter, wenn Bockwürstchen beim Warmmachen platzen. Oder wenn welke Pflanzen nach dem Gießen wieder vital und wir bei längerem Baden im Meer durstig werden. Sogar die Blutreinigung durch Dialyse bei Nierenkranken läuft nach dem gleichen Prinzip ab. Soweit so gut. Doch was passiert bei der Osmose noch mal genau? Und was hat das mit Strom zu tun? Offenbar eine ganze Menge.
Osmosekraftwerke an Flussmündungen?
„Sie ist zu beobachten, wenn eine wässrige Lösung hoher Konzentration (zum Beispiel eine Zuckerlösung) durch eine Membran von reinem Wasser getrennt ist und die Membranporen für Wasser leicht, für größere Moleküle dagegen nicht durchlässig sind.“, so beschreibt die Biologie-„Bibel“ für die Schule, der Linder, die Grundbedingungen für diesen Prozess.
Einem physikalischen Grundprinzip folgend streben die Flüssigkeiten dann einen Konzentrationsausgleich an und Wassermoleküle wandern so lange durch die Membran in die Zucker-oder Salzlösung bis das Konzentrationsgefälle ausgeglichen ist. Dabei baut sich Druck auf – der so genannte osmotische Druck.
Und diesen will Loeb nutzen, um in speziellen Osmose-Kraftwerken Strom zu produzieren. Er gibt seiner Idee den Namen „pressure retarded osmosis” (PRO) und lässt sie im Jahr 1973 auch patentieren. Die Pläne für eine goldene Zukunft der neuen Technik liegen bereits fix und fertig in der Schublade. Loeb plant, in großem Maßstab Anlagen an Stellen bauen zu lassen, wo die natürlichen Bedingungen dafür optimal sind: an den Flussmündungen. Denn dort kommt es zum Zusammentreffen von hochkonzentriertem Salzwasser und Süßwasser.
Vision ohne Happyend?
Doch Loeb und ein anderer Wissenschaftler, der nahezu zeitglich ein ähnliches Konzept vorstellt – Richard S. Norman von der Biological Sciences Group der Universität von Connecticut -, sind ihrer Zeit weit voraus. Denn die Vorschläge klingen zwar vielversprechend, doch sie fallen nicht auf fruchtbaren Boden. Die Gründe: Erstens ist Energie damals noch enorm billig und in nahezu beliebigen Mengen vorhanden. Darüberhinaus sind die zur Verfügung stehenden Membranen noch nicht annähernd gut genug, um damit effektiv Strom durch Osmose zu erzeugen. Entsprechend schwierig ist es für Loeb & Co Fördergelder für die weitere Erforschung der Technologie zu beschaffen.
Statkraft als Vorreiter
Mit dem gleichen Dilemma zu kämpfen haben auch Thorleif Holt und Thor Thorson, zwei Wissenschaftler vom Norwegian Institute of Technology (SINTEF). Aufbauend auf Loebs Vorarbeiten basteln sie jahrelang an der Verbesserung des Verfahrens – ohne dass sie dafür Abnehmer finden. Doch sie geben nicht auf. Richtig Schwung kommt in die Sache endlich 1997, als die Forscher Statkraft, den größten norwegischen Energieversorger und Vorreiter bei der Wasserkraftnutzung, für das Projekt begeistern können.
Damit ist der Bann gebrochen und den Wissenschaftlern stehen alle Türen offen. Kontakte werden geknüpft, die Osmosekraft-Forschung erhält große finanzielle Unterstützung – auch von der EU – und die Technologie entwickelt sich rasant weiter. Gibt es doch noch ein Happyend für Loebs Vision?
Stand: 19.02.2010