Heute ist klar: Quorum Sensing ist fast immer dann beteiligt, wenn sich Bakterien in Gruppen organisieren. Ein wichtiges Beispiel ist die Bildung von Biofilmen, die als hochgradig organisierte Strukturen einer oder mehrerer Bakterienarten in einer Matrix beschrieben werden können. Durch Quorum Sensing sind Bakterien in der Lage, die Bildung solch komplexer Strukturen zu kontrollieren. Abweichungen in der Konzentration der beteiligten Signalmoleküle können entweder die Biofilmproduktion unterdrücken oder verstärken.
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Schutz im Schleim
Der Vorteil: Die umhüllende Schleimschicht schützt die Bakterien im Biofilm vor Umwelteinflüssen, die ihnen schaden könnten. Sie können in dieser Form daher selbst harsche Habitate wie das Innere unserer Wasserleitung oder die Oberfläche von Gletschern besiedeln. In unserem Körper hilft der Biofilm den Mikroben, Angriffe unseres Immunsystems abzuwehren.
Die Bakterien in einem Biofilm sind zudem sehr viel resistenter gegenüber Antibiotika und anderen antibakteriellen Substanzen, etwa Reinigungsmitteln. In der Medizin stellen Biofilme daher ein hartnäckiges Problem dar. Sie können sich beispielsweise auf Kathetern und Stents (Gefäßstützen) bilden und sind dann nur sehr schwer zu beseitigen.
Hartnäckige Infektionen
Auch bei einigen Krankheiten spielen bakterielle Biofilme eine entscheidende Rolle: Nahezu alle Patienten mit zystischer Fibrose (Mukoviszidose) leiden an chronischen Lungeninfektionen, die zumeist durch das Bakterium Pseudomonas aeruginosa ausgelöst werden. P. aeruginosa bildet besonders widerstandsfähige Biofilme in den Lungen dieser Patienten, die selbst durch langwierige Antibiotikatherapien nur schwer in den Griff zu bekommen sind. Auch hier konnte nachgewiesen werden, dass das Quorum Sensing von P. aeruginosa zur Bildung dieser Biofilme benötigt.
Daher ist die Unterdrückung dieses Prozesses ein Ansatzpunkt für mögliche Therapien. Neben der Biofilmbildung, welche eng mit der Pathogenität vieler Mikroorganismen verbunden ist, ist auch die Herstellung der eigentlichen Virulenzfaktoren häufig an das Quorum Sensing gekoppelt. Die Logik hinter diesem Zusammenhang ist einfach zu verstehen: Ein einzelnes Bakterium kann nur wenig gegen das Immunsystem höherer Organismen ausrichten, viele Bakterien hingegen schon.
Es lohnt sich daher für den Krankheitserreger zu warten, bis genügend Bakterien in der Umgebung vorhanden sind, bevor ein Virulenzprogramm initiiert wird. Staphylococcus aureus, einer der häufigsten und gefährlichsten Erreger von Krankenhausinfektionen, benutzt eine solche Strategie, um die Produktion von Virulenzfaktoren zu koordinieren.
Kai Papenfort, Kristen Jung/ Bayerische Akademie der Wissenschaften
Stand: 24.11.2017