Phänomene

Generationsübergreifende Folgen

Nanobelastung von Kleinkrebsen macht ihre Nachkommen übersensibel

Gelangen Nanopartikel in Gewässer, hat das nicht nur für Mikroben und Algen darin fatale Folgen. Auch Kleinkrebse werden durch Titandioxid-Nanoteilchen geschädigt – und dies so nachhaltig, dass noch die Nachkommen der exponierten Krebse an den Folgen leiden. Das zeigte sich 2012 in einem Versuch von Forschern der Universität Koblenz-Landau. Das Überraschende daran: In den üblichen Toxizitätstests an der Elterngeneration waren die negativen Folgen nicht nachweisbar. Sie zeigten sich erst bei deren Nachkommen.

Wasserfloh: Nanopartikel schädigten noch seine Nachkommen © Paul Hebert, PloS Biology / CC-by-sa 2.5

Für ihre Studie hatten die Forscher Wasserflöhe in Wasser mit 0,02 bis 2 Milligramm pro Liter Titandioxid-Nanopartikeln gehalten. Diese Konzentrationen liegen um mehr als das 50-Fache unter dem, was laut früheren Studien für diese Tiere schädlich ist. Die Auswirkungen dieser Exposition prüften die Wissenschaftler nach einem von der OECD genormten Standardprotokoll, bei dem unter anderem die Schwimmfähigkeit und Aktivität der Wasserflöhe eingestuft wird. Wie die Forscher berichten, machten sich in diesen Tests auch nach längerer Zeit keine negativen Folgen bei den Krebsen bemerkbar.

Nachkommen weniger überlebensfähig

Die von diesen Wasserflöhen produzierten Nachkommen unterzogen die Forscher dann ebenfalls Tests, indem sie diese für jeweils kurze Zeit in Becken mit erhöhten Titandioxid-Konzentrationen setzten. „Die Jungtiere von Wasserflöhen aus mit Nanopartikeln versetztem Wasser reagierten zwei bis fünf Mal sensibler als die Nachkommen unbelasteter Krebse“, berichten Mirco Bundschuh und seine Kollegen. Ihre Schwimmfähigkeit sei schon bei sehr geringen Titandioxid-Konzentrationen beeinträchtigt gewesen. Im Freiland kann dies die Überlebensfähigkeit der Wasserflöhe stark verringern, da sie beispielsweise vor Fressfeinden nicht mehr schnell genug wegschwimmen können.

„Die Studie untermauert, dass Nanomaterialien aufgrund ihrer besonderen Eigenschaften überraschende Wirkungen hervorrufen können“, sagt Studienleiter Ralf Schulz. In klassischen Chemikalientests – die oft mit Wasserflöhen durchgeführt werden – wird nur die Reaktion der jeweils direkt den Stoffen ausgesetzten Tiere überprüft. Die nächste Generation untersucht man üblicherweise jedoch in diesen Standardtests nicht. „Daher reichen klassische Untersuchungen und Risikobewertungen nicht aus“, sagt der Forscher. Die Zulassungsbehörden müssten sich zügig für eine Weiterentwicklung und Einführung angepasster Tests einsetzen, um auch langfristige Risiken zuverlässiger bewerten zu können. Denn Nanopartikel gelangten schließlich dauerhaft in die Umwelt.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. 9
  20. |
  21. weiter

Nadja Podbregar
Stand: 08.03.2013

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Nanopartikel
Die unsichtbaren Helfer und ihre Schattenseiten

Klein und ungemein nützlich
Was können Nanopartikel und wo stecken sie drin?

Die Form macht's
Nano-Kugeln und -röhrchen und ihre Anwendungen

Ab ins Wasser
Was passiert, wenn Nanopartikel in Gewässer gelangen?

Generationsübergreifende Folgen
Nanobelastung von Kleinkrebsen macht ihre Nachkommen übersensibel

Über Müll und Boden…
…in die Nahrungskette

Entzündungen und DNA-Schäden
Wie schädlich sind Nanopartikel für unsere Gesundheit?

Speere in der Zellmembran
Warum Nanoröhrchen Zellen schädigen

Helfer für Krankheitserreger
Nanopartikel fördern die Bildung von resistenten Keimen

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Bessere Akkus dank Kohlenstoff-Nanoteilchen
Poröse Partikel machen Lithium-Schwefel-Akkus leistungsfähiger

Nanopartikel fördern Resistenzen bei Krankheitserregern
Abwasserbehandlung könnte Keime gegen Antibiotika immun machen

Nanoröhrchen „stehlen“ Grünalgen Licht
Forscher untersuchen Auswirkungen von Nanopartikeln auf Ökosysteme in Gewässern

Nanosilber keine Erfindung des 21. Jahrhunderts
Antimikrobielle Wirkung des „kolloidalen Silbers“ bereits vor 100 Jahren genutzt

Wo überall steckt Nano drin?
BUND veröffentlicht Datenbank mit über 200 Nano-Produkten

Nanopartikel als Taxi für Krebsmedikamente
Schutzhülle aus Lipiden lässt die Wirkstoffe erst im Zellinneren entweichen

Tiere durch Nanopartikel ferngesteuert
Forscher nutzen magnetische Partikel, um gezielt Zellfunktionen zu stören oder zu stimulieren

Dossiers zum Thema

Umweltgifte - Neue Gefahr für die Gesundheit des Menschen?