Botanik

Genetische Schalter und frei bewegliche Signalmoleküle

Die Mechanismen der pflanzlichen Stammzellkontrolle

Pflanzenforschern ist es bereits in den letzten zwei Dekaden gelungen, die wichtigsten Moleküle für die pflanzliche Stammzellkontrolle zu identifizieren. Es handelt sich dabei um ein komplexes Regelwerk genetischer Schalter und frei beweglicher Signalmoleküle, das Steuerungs- und Stammzellen verbindet und dafür sorgt, dass die Zahl der Stammzellen in engen Grenzen konstant bleibt.

Ein Sprossmeristem: das Stammzellzentrum für alle oberirdisch wachsenden Teile der Pflanze. © Jan Lohmann

Wann und wo entstehen die Meristeme und die essenziellen Regelkreise? Da wir die fundamentale Organisation des Sprossmeristems kennen, können wir dieses Stammzellsystem über den gesamten Verlauf der Pflanzenentwicklung untersuchen und bis zu seinem erstmaligen Auftreten zurückverfolgen. Hierbei helfen uns wieder Keimlinge. Auch wenn ihnen viele Organe der erwachsenen Pflanze noch fehlen, besitzen sie doch bereits Stammzellsysteme, die in den ersten Tagen nach der Keimung ihre Arbeit aufnehmen. Zunächst entfalten sich ein oder zwei Keimblätter, die bereits im Embryo angelegt sind.

Brennnessel © Michael Gasperl /GFDL

Signale lassen Systeme anspringen

Kurz darauf werden die ersten Blätter sichtbar. Sie müssen aus Stammzellen entstanden sein, denn von den „echten“ Blättern fehlt während der Embryogenese noch jede Spur. Moderne molekularbiologische Methoden haben mittlerweile gezeigt, dass Stammzellsysteme in der Tat während sehr früher Stadien der Pflanzenembryo-Entwicklung angelegt, aber erst später aktiviert werden. Nach der Keimung sorgen spezifische Signale dafür, dass die Systeme anspringen und mit der Zellproduktion beginnen. Der Embryo und der frühe Keimling scheinen also nur einer einzigen Aufgabe zu dienen: die Stammzellsysteme von Spross und Wurzel in die richtige Position zu bringen und für kurze Zeit mit Nährstoffen zu versorgen.

Diese Annahme lässt sich mit einem einfachen Experiment unterstreichen: Bringt man Samen im Dunklen zum Keimen, kann ihre Entwicklung nicht fortschreiten. Die Keimlinge strecken sich auf der Suche nach Licht und werden früher oder später eingehen, ohne Organe entwickelt zu haben. Gibt man dem Wuchsmedium jedoch Spuren von Zucker hinzu, können die Keimlinge zumindest für eine Weile neue Organe anlegen und ihr Entwicklungsprogramm starten. Warum ist das so?

Sonnenlicht © IMSI MasterClips

Ohne Licht keine Energie – und keine Entwicklung

Pflanzen brauchen Licht, um Energie zu gewinnen: Ohne Licht gibt es keine Energie und keine Entwicklung. Ist Zucker im Medium, kann der Energieengpass umgangen werden: Der Keimling wird dadurch in die Lage versetzt, seine Stammzellsysteme anzufahren. Sonst wäre er auf die Versorgung mit Energie durch die Keimblätter angewiesen.

Einmal aktiviert, werden die Hauptstammzellzentren der Pflanze während des gesamten Lebens mit Nährstoffen und Signalen versorgt, die zu ihrer Aufrechterhaltung notwendig sind. Erst wenn die genetisch vorbestimmte Lebensspanne einer Pflanze erreicht ist – wenn also beispielsweise eine bestimmte Anzahl von Früchten und Samen produziert wurde –, wird die Aktivität der Stammzellen eingestellt. Dieses Herunterfahren des Zellnachschubs ist ein Teil des aktiven Alterungsprozesses, der sogenannten Seneszenz, den Pflanzen durchlaufen und zu dem auch das uns wohlbekannte Welken und Austrocknen gehören.

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Jan Lohmann / Forschungsmagazin „Ruperto Carola“ der Universität Heidelberg
Stand: 01.12.2011

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Auch Pflanzen besitzen Stammzellen
Unerschöpflich kreativ

Stammzelle ist nicht gleich Stammzelle
Grundbauplan des Menschen steht bereits bei der Geburt fest

Pflanzen kommen nicht fertig auf die Welt
Stammzellen als Quelle permanenter Veränderung

Besondere Gewebe für besondere Zellen
Pflanzen verhindern Ausbreitung entarteter Zellen

Genetische Schalter und frei bewegliche Signalmoleküle
Die Mechanismen der pflanzlichen Stammzellkontrolle

Wie Pflanzen kommunizieren
Botenstoffe überbringen Informationen

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