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Gerade noch mal abgebogen?

Öl, Gas und die „Baikal-Pipeline“

Doch nicht nur der Klimawandel bedroht den Baikal, der Mensch will auch unmittelbar Hand anlegen. In Ostsibirien, dem russischen Verwaltungsgebiet, zu dem der Baikalsee gehört, lagern bisher kaum erschlossene Öl- und Gasreserven. Die russische Akademie der Wissenschaften schätzt die Vorkommen der Region auf etwa 2,6 Milliarden Tonnen Öl und 7,5 Billionen Kubikmeter Gas. Das entspricht etwa zehn Prozent der gesamtrussischen Öl- und fünf Prozent der Gasvorkommen.

Pläne seit 2001

Um diese Ressourcen auf den Weltmarkt zu bringen plante im Jahr 2001 der damalige russische Ölkonzern Yukos des mittlerweile in Ungnade gefallenen Oligarchen Michail Chodorowski eine Pipeline von Angarsk, unweit von Irkutsk an der Südspitze des Baikalsees, bis nach Daqing in China.

Route der “Baikal-Pipeline” ESPO © US EIA

Durch die Zerschlagung des Yukos-Konzerns und seine Übernahme durch staatliche Konzerne verzögerten sich die Pläne immer wieder. Schließlich jedoch begann im Jahr 2006 Transneft, der für den Bau und Betrieb aller russischen Pipelines zuständige Staatskonzern, mit dem Bau des ersten Abschnitts der Pipeline „Ostsibirien – Pazifischer Ozean“ (East Sibirian – Pazific Ocean, ESPO). Sie wird statt in Angarsk 500 Kilometer weiter nördlich von Irkustk, in Taischet, beginnen und bis nach Nachodka an der russischen Pazifikküste führen.

Das erste Teilstück von Taischet bis nach Skovorodino an der chinesischen Grenze – etwa die Hälfte der insgesamt geplanten Strecke – mit einer Länge von 2.757 Kilometern geht Ende 2009 in Betrieb. Finanziert wurde der Bau schließlich mit Hilfe der Chinesen, denn China soll einer der Hauptabnehmer des sibirischen Öls werden. Rund 15 Millionen Tonnen Öl, etwa 300.000 Barrel pro Tag, will Russland in den nächsten Jahren nach China liefern

Proteste lenken Pipeline um

Verzögert wurde der Pipeline-Bau auch durch zahlreiche Proteste von Umweltschützern in Russland, die weltweit unterstützt wurden. Denn ursprünglich hatte man geplant, die Pipeline auf einer Länge von 100 Kilometern bis auf 800 Meter ans Ufer des Baikalsees heranzuführen. Durch die Baumaßnahmen und die Pipeline selbst, so die Umweltschützer damals, geriete das Ökosystem des Baikals signifikant in Gefahr. Man müsse die Pipeline in jedem Fall außerhalb des Einzugsgebiets des Baikal bauen, um schwere Schäden zu vermeiden.

Aufgrund der Proteste schaltete sich Ende 2006 der russische Staatspräsident persönlich ein, damals noch Wladimir Putin, und gab dem öffentlichen Druck nach. Transneft verlegte die Trasse um rund 400 Kilometer weiter nach Norden.

Station der ESPO-Pipeline in Jakutien © VSTO-Nerft

Gefahr nicht vollkommen gebannt

Von der russischen Umweltbewegung wurde das als einer der größten Siege ihrer Geschichte gefeiert, doch Experten bezweifeln, ob dies wirklich auf die Einsicht von Regierung und Ölkonzernen zurückzuführen ist. Martha Brill Olcott, politische Analystin von der US-amerikanischen Carnegie-Stiftung für Internationalen Frieden, die den Energiemarkt in Russland, Kaukasus und Zentralasien seit mehreren Jahren untersucht, zum Sinneswandel beim Bau der ESPO-Pipeline: „Die neue Route führt die Pipeline näher an die Ölfelder von Jakutien und der Region Irkutsk heran, die dazu dienen sollen, die Pipeline zu füllen.“ Möglicherweise habe der Kreml unter großer positiver Publicity nur eine möglicherweise sowieso favorisierte Entwicklungsstrategie finanzieren und realisieren wollen, um besser an die weiter nördlich gelegenen Vorkommen heranzukommen.

Tatsächlich sind Umweltrisiken trotz der umgeleiteten Pipeline nicht ausgeschlossen. Wenn die Ölfelder in Jakutien erst erschlossen seien, so Brill Olcott, würden große Mengen Öl auch über die nah am See vorbeiführende Bahnstrecke der Transsibirischen Eisenbahn transportiert. Und auch die geographischen Risiken der Region bestehen nach wie vor. Das Gebiet um den Baikalsee, ist, da in einer Rift-Zone gelegen, seismisch sehr aktiv. Und auch die neue Strecke führt durch riesige Permafrostgebiete. Käme es hier zu Lecks in der Pipeline, wären die zahlreichen Zuflüsse des Baikalsees ebenso betroffen

Unabhängig von diesen Bedenken plant Russland derzeit bereits eine zweite Pipeline. Parallel neben der Rohrleitung für Öl, soll demnächst eine Gasleitung gebaut werden.

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Edda Schlager
Stand: 10.07.2009

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Baikalsee – ein Update
Klima, Krise, Tauchrekorde

Sommer 1903 – Nächster Halt: Port Baikal
Eugen Zabel und die Baikalquerung mit der Transsibirischen Eisenbahn

See der Superlative
Einmaliger Lebensraum

Tollkühne Russen in sinkenden Kisten
Auf Tauchgang im Baikalsee

Alte Daten, neue Bilder
Die bathymetrische Karte des Baikalsees

Kieselalgen mögen’s kalt
Baikal reagiert auf den Klimawandel

Kleine bringen Große in Gefahr
Zerfallende Nahrungskette

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Öl, Gas und die „Baikal-Pipeline“

Umweltschutz dank Krise?
Die unendliche Saga vom Zellulosewerk

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