Die Quarks werden uns letztlich auch zu den neuen Beobachtungen von RX J1856 und eines weiteren sehr ungewöhnlichen Sternes zurückführen. Gemeint ist 3C58 im Sternbild Cassiopeia. Dieser Stern ist ungleich weiter von uns entfernt als »RXJ«. Astronomen schätzen die Distanz auf etwa 10.000 Lichtjahre und identifizierten ihn mit einem recht jungen Überrest einer Supernova, deren Lichtblitz die Erde im Jahr 1181 erreichte.
Röntgenbilder von Chandra zeigen die Nebelmassen des zerstäubten Sterns, von dem mitten im Gewölk eben noch jener ultradichte Rest übrig geblieben ist. Er rotiert als »Pulsar« fünfzehn mal in jeder Sekunde um seine Achse, ist hoch magnetisch und müsste eigentlich heiß genug sein, um sehr intensiv im Röntgenlicht zu leuchten.
Doch nichts dergleichen. Die Aufnahmen zeigen im inneren Nebelgebiet nur eine helle Stelle. Von der Oberfläche des Sternes selbst scheint keine Strahlung zu kommen. Hat er sich bereits so stark abgekühlt, dass die gesuchten Signale unter der Nachweisbarkeitsgrenze liegen? Die Forscher mussten nun die Spreu vom Weizen trennen. Denn 3C58 sendet zwei Arten von Röntgenlicht aus.
Die erste Quelle sind Elektronen, die im schnell rotierenden Magnetfeld des Sternenrests gefangen sind. Sie laufen auf Spiralbahnen entlang der Feldlinien und senden dabei in Bewegungsrichtung Photonen aus, also Lichtteilchen. Die andere Quelle ist die Oberfläche und die gesuchte von ihr ausgehende Hitzestrahlung.
Die Chandra-Wissenschaftler verfeinerten nun ihre Beobachtungen. Ein rotierender Neutronenstern funktioniert wie ein Leuchtfeuer. Die Strahlung geht von gegenüberliegenden Orten der superdichten Kugel kegelförmig aus. Diese Lichtkegel sind mehr oder minder stark gegen die Rotationsachse des Pulsars geneigt; im Normalfall zielt zumindest einer davon mit jeder Umdrehung des Sterns bei geeigneter Orientierung im Raum auf unsere Erde und erzeugt einen kurzen Lichtpuls.
Das Astroteam von Chandra machte nun ganz spezielle »Blitzaufnahmen« – nämlich im Gegensatz zur üblichen Fotogepflogenheit immer dann, wenn der Blitz gerade aus war. Auf diese Weise erfassten die Experten nur die ungepulste Strahlung. Und die erwies sich als überraschend bescheiden. Selbst wenn dieses Röntgenlicht ausschließlich von der Oberfläche des Neutronensterns stammt, bleibt es gegenüber den Erwartungen weit zurück. So wenig Strahlung kann nur bedeuten, dass 3C58 an seiner Oberfläche kühler ist, als die Polizei erlaubt – sprich: Als die Theorie vorhersagt.
Die »Kenner der Materie« gelangen daher zu einer faszinierenden Schlussfolgerung: Für gewöhnlich kühlen die Neutronensterne schon relativ schnell ab, da der Ausstoß fast masseloser »Geisterteilchen«, der Neutrinos, die Energie nach außen abtransportiert. Die Abkühlungsrate hängt stark von der Dichte und Zusammensetzung des Pulsar-Inneren ab. In Gegenwart von exotischen Teilchen kann sie deutlich erhöht werden. Das scheint bei 3C58 der Fall zu sein.
Stand: 19.09.2002