Alles begann mit einem Affen, einem Versuchsleiter und einer Erdnuss: Der Physiologe Giacomo Rizzolatti von der Universität Parma und seine Kollegen wollten Anfang der 1990er Jahre an Makaken erforschen, wie Handlungen geplant und umgesetzt werden. Griffen die Tiere nach Futter, konnten sie entsprechende Hirnströme messen.
Eines Tages passierte dabei etwas Merkwürdiges. Das Messgerät schlug auch aus, als einer der Forscher nach einer Nuss griff und nicht der Affe. Das Tier saß völlig ruhig da und betrachtete die Szene lediglich – trotzdem reagierte sein Gehirn genauso, als ob es selbst zur Nuss greifen würde. Die Nervenzellen des Affen sendeten offenbar bereits Signale aus, wenn er die Bewegung nur beobachtete. Sie spiegelten förmlich das Verhalten des Gegenübers.
Innerliches Imitieren
Die Nervenzellen, die diese Signale im Primatenhirn auslösten, nannten die Wissenschaftler Spiegelneuronen. Später gelang der Beweis, dass solche Spiegelneuronen-Systeme auch im menschlichen Gehirn existieren. Indem wir Körperbewegungen unwillkürlich spiegeln, können wir Bewegungen anderer nachvollziehen und möglicherweise besser nachahmen.
Selbst so komplexe Bewegungen wie das Tanzen lösen bei Zuschauern ähnliche Aktivitätsmuster im Gehirn aus wie bei den ausführenden Sportlern: Wer eine Ballettaufführung besucht, tanzt innerlich mit und es entsteht sogar eine Art Trainingseffekt im Gehirn. Könnte es sein, dass etwas Vergleichbares auch beim Beobachten von Gefühlsregungen passiert?
Von Bewegung zu Emotion
Der Analogieschluss, dass wir mithilfe von Spiegelsystemen nicht nur fremde motorische, sondern auch emotionale Bewegungen innerlich imitieren, schien naheliegend: Sind womöglich die Spiegelneuronen wesentlich verantwortlich für die Fähigkeit zur Empathie? Sind sie es, die Gefühle und Stimmungen anderer Menschen auch beim Beobachter zum Erklingen bringen?
Diese Möglichkeit wird unter Wissenschaftlern seit Jahren diskutiert – und auch in der Presse wird immer wieder über einen Zusammenhang zwischen Spiegelneuronen und Mitgefühl spekuliert. Angeregt unter anderem durch Beobachtungen wie diese: Wenn Ratten sehen, wie einem Artgenossen mit einem Laserstrahl Schmerzen zugefügt werden, reagiert ihr Gehirn ebenfalls. Es feuern einige der Neuronen, die auch dann aktiv werden, wenn die Nager selbst Schmerz erfahren.
Doch ob emotionale Spiegelneuronen tatsächlich die physiologische Basis für Empathie bilden, ist bis heute hoch umstritten. Kritiker halten diese Erklärung für zu vereinfachend. Sie glauben, dass ganz unterschiedliche Hirnareale und Zelltypen beteiligt sind, wenn ein Mensch sich in die Gefühls- und Gedankenwelt eines anderen hineinversetzt. Die faszinierenden Spiegelsysteme und ihre Rolle für das Mitgefühl – sie sind noch immer nicht verstanden.