Eine etwas andere Variante der geothermischen Wiege des Lebens postulierten im Jahr 2012 Forscher der Universität Osnabrück um Armen Mulkidjanian. Ihrer Meinung nach haben die Theorien von Martin und Co. ein gravierendes Manko: Das salzige Meerwasser der Tiefseequellen weicht zu stark von der Chemikalienmischung im Inneren lebender Zellen ab. Für die ersten Zellen wäre das ein Problem gewesen, meinen die Forscher. Denn sie konnten die Zusammensetzung ihrer Zellflüssigkeit noch nicht aktiv regulieren. Deshalb dürften sich die ersten zellulären Organismen nur dort entwickeln, wo auch außerhalb ihrer Hülle ein passendes chemisches Umfeld herrschte.
Geysir-Brühe ähnelte damals Zellmilieu
Und das vermuten die Forscher nicht im Meer, sondern an Land: in kleinen Tümpeln rund um Geysire und heiße Schlote. „In der sauerstoffarmen Uratmosphäre der frühen Erde kam die Brühe in den geothermalen Tümpeln dem internen Milieu der Zellen am nächsten“, so Mulkidjanian und seine Kollegen. Heutige geothermale Felder wie beispielsweise im Yellowstone Nationalpark in den USA wurden bisher nicht als geeignete Lebenswiegen betrachtet, weil ihr Wasser zu sauer ist. Doch der in der Uratmosphäre noch fehlende Sauerstoff könnte verhindert haben, dass Säuren entstanden, und die Brühe in den urzeitlichen Tümpeln durchaus lebensfreundlich gemacht haben.
In den Ozean konnten die ersten Zellen nach Ansicht der Forscher erst vorstoßen, als sie dichtere Membranen entwickelten. Denn dann konnten sie sich gegen die ungünstigere Zusammensetzung des Meerwassers abschirmen. Das bedeute auch, dass die Entstehung des Lebens zunächst kein globales, sondern ein lokales Ereignis gewesen sei: „Erst als die ersten membranumhüllten Organismen den Ozean eroberten, wurde das Leben zu einem planetaren Phänomen“.
Schutz vor tödlicher Strahlung
Die geothermalen Tümpel könnten auch eine weitere wichtige Bedingung für Leben erfüllt haben: Zinksulfid-Ablagerungen am Tümpelgrund boten Schutz vor den tödlichen ultravioletten Strahlen der Sonne. „Bereits eine fünf Millimeter dünne Zinksulfidschicht bietet den gleichen UV-Schutz wie eine 100 Meter dicke Wasserschicht“, erklären die Forscher. Die von Wasser umströmten losen Schichten am Tümpelgrund könnten daher sowohl Schutz als auch ausreichend Bausteine für das erste Leben geliefert haben.
Nadja Podbregar
Stand: 25.10.2013