Astronomie/Kosmologie

Gezielter Blick

Wie findet Hubble seine Zielobjekte?

Das Weltraumteleskop steht nicht still: Es rast mit acht Kilometern pro Sekunde um die Erde. Für eine Umkreisung benötigt es daher nur 1,5 Stunden. Aus dieser rasenden Geschwindigkeit heraus ein fernes, winziges Objekt im All stabil ins Visier zu nehmen, scheint da geradezu unmöglich. Doch Hubble nutzt für seine Peilung ein ganz simples Grundprinzip der Physik.

Das Hubble-Teleskop bewegt sich mit Hilfe eines Systems von Trägheitsrädern (Reaction Wheels), Gyroskopen und seinem Guidance System. © NASA, ESA, A. Feild and K. Cordes (STScI), and Lockheed Martin

Trägheitsräder statt Düsenantrieb

Das etwa busgroße Weltraumteleskop bewegt sich komplett ohne Antriebssystem im Orbit. Es besitzt weder Schubdüsen noch andere per Rückstoßprinzip funktionierende Manövrierhilfen. Denn ihre Ausgasungen würden dem Teleskop das Sichtfeld vernebeln. Dennoch ist es alles andere als unbeweglich – ganz im Gegenteil: Hubble kann seine Zielobjekte mit einer Genauigkeit von 0,01 Bogensekunde anpeilen und mit einer Abweichung von nur 0,07 Bogensekunden über 24 Stunden verfolgen. Das entspricht dem Zielvermögen eines Lasers, mit dem man eine Münze in rund 250 Kilometern Entfernung treffen könnte.

Um sich auf ein Zielobjekt auszurichten, nutzt Hubble das dritte Newtonsche Gesetz: actio gleich reactio. Jede Krafteinwirkung erzeugt eine gleich starke, aber entgegen gerichtete Kraft. Konkret heißt dies: Das Teleskop dreht sich, indem es die Geschwindigkeit von vier Paaren sogenannter Trägheitsräder ändert. Diese sechs knapp 60 Zentimeter großen Räder können mit bis zu 3.000 Umdrehungen pro Minute rotieren. Werden sie durch Elektromagnete abgebremst oder beschleunigt, übt dies eine Kraft auf das Teleskop aus, die dieses in die jeweils entgegengesetzte Richtung dreht. Sechs Gyroskope überprüfen dabei ständig die Lage im Raum.

Die Sensoren des Fine Guidance System (FGS) liegen am Rand von Hubbles Bildfeld und visieren den Leitstern an © NASA/ STScI

Der Leitstern gibt die Richtung vor

Das Ganze wäre allerdings nutzlos, wenn es nicht Systeme gäbe, die dem Teleskop sagen, wohin es sich drehen soll und die diese Bewegung auch präzise kontrollieren. An dieser Aufgabe sind gleich mehrere Sensoren beteiligt. Zunächst wird aus einer Sternendatenbank ein Leitstern ermittelt – ein helles Himmelsobjekt, das dem Zielobjekt möglichst nahe liegt. Nach diesem suchen dann drei spezielle Kameras, die sogenannten Fine Guiding Sensors (FGS).

Diese sitzen ringförmig um die restlichen Instrumente und fangen das Bild des Leitsterns auf. Ob dieser genau im Zentrum des Sehfelds von Hubble sitzt, registrieren sie mit Hilfe der Interferometrie: Ihre Signale werden von einem Computer so miteinander verrechnet, dass eine Wanderung des Objekts aus dem Zentrum eine Phasenabweichung im Signal auslöst. Tritt dies ein, gibt der Computer den Befehl, das Teleskop nachzujustieren.

Wer darf wann ran?

Die Entscheidung, welches Objekt Hubble ins Visier nimmt, trifft ein Auswahlkomitee am Space Telescope Science Institute (STScI) in Baltimore. Pro Jahr gehen dort etwa 1.000 Anträge von Wissenschaftlern aus aller Welt ein, von denen rund 200 ausgewählt werden – die Auswahl läuft dabei nicht viel anders als bei anderen Großteleskopen auch.

Seitdem der Rote Überriese V838 Monocerotis im Januar 2002 in einer Nova explodierte, verfolgt Hubble regelmäßig die Veränderungen. Der sich mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitende Lichtspuls der Explosion erhellt die Staubhülle in seiner Umgebung. © NASA and The Hubble Heritage Team (AURA/STScI)

Kriterien sind neben der Bedeutung der Fragestellung für die Astronomie und einer gut durchdachten Herangehensweise auch die Frage, warum es für das Forschungsprojekt ausgerechnet Hubble sein muss. 15 Prozent der Beobachtungszeit ist dabei europäischen Forschern und Forschergruppen zugeteilt – im Austausch gegen die 15 Prozent Beteiligung der Europäischen Raumfahrtagentur ESA beim Bau und Betrieb des Teleskops.

Zusätzlich aber sind zehn Prozent von Hubbles Beobachtungszeit für besondere Aufgaben reserviert. Damit soll die Möglichkeit geschaffen werden, das Teleskop auch ganz kurzfristig und unbürokratisch auf Zielobjekte auszurichten – beispielsweise wenn ein kurzlebiges Ereignis wie ein Gammastrahlenausbruch oder eine Supernova registriert wird. Aber auch Projekte, die länger dauern, aber verschiedenen Bereichen der Astronomie zugutekommen, wie die berühmten Hubble Deep Fields, werden in dieser Reservezeit umgesetzt.

  1. zurück
  2. |
  3. 1
  4. |
  5. 2
  6. |
  7. 3
  8. |
  9. 4
  10. |
  11. 5
  12. |
  13. 6
  14. |
  15. 7
  16. |
  17. 8
  18. |
  19. 9
  20. |
  21. weiter

Nadja Podbregar

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

30 Jahre Hubble-Teleskop
Wie das "Auge im All" unsere Sicht des Kosmos revolutioniert hat

Ein echter Star
Was macht das Weltraumteleskop so erfolgreich?

Gezielter Blick
Wie findet Hubble seine Zielobjekte?

Hubbles Augen
Wie funktioniert das optische System des Teleskops?

Das Eckige muss ins Runde
Hubbles Flügel - die Solarsegel des Teleskops

Hubbles Vermächtnis
Die wissenschaftlichen Highlights des Teleskops

Expansion und Dunkle Materie
Was Hubble über die dunkle Seite unsere Kosmos verriet

Schwarze Löcher, Sternenwiegen und Planeten
Noch mehr Hubble-Highlights

Und die Zukunft?
Wie es mit Hubble weitergeht

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

Asteroid zerbricht auf mysteriöse Art
Hubble-Teleskop fotografiert bislang nur theoretisch bekannten Vorgang

Neue Supernova im Visier der Weltraum-Teleskope
Forscher nehmen astronomisches Rekordereignis genauer unter die Lupe

Mehr Minigalaxien im frühen Kosmos
Weltraumteleskop Hubble wirft ersten Blick auf zuvor verborgene Population ferner Galaxien

Geburt eines Quasars beobachtet
Beobachtung zeigt, wie Schwarze Löcher und Quasare ihre Heimatgalaxien beeinflussen

Wasserplanet mit Dampfhülle entdeckt
Planet GJ1214b bildet eine zuvor unbekannte Klasse von Himmelskörpern

Astronomen entdecken vierten Mond um Pluto
Hubble-Weltraumteleskop liefert erste Aufnahmen von Pluto-Trabant P4

Dossiers zum Thema

Dunkle Energie - Auf der Suche nach der geheimnisvollen Triebkraft des Universums

Salzseen - Bizarre Landschaften und extreme Lebensräume

Big Eyes - Riesenteleskope und die letzten Rätsel im Kosmos