Als Camp Century 1967 aufgegeben wurde, ließ die US-Armee nicht nur einen Großteil der Infrastruktur zurück, sondern auch reichlich Abfälle. „Vor zwei Generationen war es in etlichen Weltgegenden üblich, Müll einfach zu vergraben“, erklärt William Colgan, Glaziologe an der York University in Toronto.
So auch in der subglazialen Stadt: Abwasser, Treibstoffreste und selbst schwachradioaktive Abfälle des Kernreaktors wurden in Eislöcher geworfen oder gepumpt. Denn unter dem Dutzende Meter dicken Eis würden diese Hinterlassenschaften sicher und von der Außenwelt isoliert begraben bleiben, so jedenfalls dachte man.
Abwasser, Diesel, PCBs und radioaktive Abfälle
Aus den Aufzeichnungen von Camp Century geht hervor, dass 1967 rund 240.000 Liter Abwasser, 200.000 Liter Dieseltreibstoff und rund 9.200 Tonnen Gebäudeteile, Reste der Schienen und andere feste Überreste der Anlage zurückgelassen wurden. Dazu kamen größere Mengen von mit polychlorierten Biphenylen (PCB) kontaminierten Bau- und Maschinenteilen, in denen diese heute verbotenen organischen Schadstoffe als Schmierstoff, Hydraulikflüssigkeit und Dichtung eingesetzt wurden. Insgesamt sind die Relikte der Station über 55 Hektar verstreut – das entspricht etwa der Fläche von 100 Fußballfeldern.
Ebenfalls im Eis geblieben ist eine unbekannte Menge schwach radioaktiver Abfälle, größtenteils in Form von verseuchtem Kühlwasser aus dem Reaktor der Anlage: „Der radioaktive Müll hatte nach offiziellen Angaben damals eine Radioaktivität 1,2 Milliarden Becquerel“, berichten Colgan und sein Team. Das sei zwar rund tausendfach weniger als die Verseuchung, die der Absturz einer atomwaffenbestückten Militärmaschine im Jahr 1968 am grönländischen US-Stützpunkt Thule Air Base verursachte. „Dennoch ist auch die radioaktive Hinterlassenschaft von Camp Century nicht trivial“, betont Colgan.
Wie lange hält das Eis dicht?
Bisher sind diese umweltschädlichen, strahlenden und teils giftigen Relikte von Camp Century noch tief im Eis vergraben. Den Radaranalysen der dänischen Geologen um Nanna Karlsson zufolge liegen die größtenteils kollabierten Gruben mit den flüssigen Abfällen heute zwischen 80 und 130 Meter unter der Eisoberfläche. Das allerdings wird nicht so bleiben, wie Colgan und sein Team mithilfe von Klimasimulationen ermittelt haben.
Ihren Ergebnissen nach ist die Eismassenbilanz für das Gebiet von Camp Century bisher noch positiv: Das Hochplateau bekommt jährlich mehr Eis durch Schneefall hinzu als in den sommerlichen Tauperioden wegschmilzt. Doch wie schon in anderen Regionen Grönlands verschiebt der Klimawandel diese Balance in den letzten Jahren und Jahrzehnten selbst im Norden allmählich in Richtung Eisverlust.
Gefahr durch Schmelze und subglaziale Ströme
Nach Schätzungen des Forschungsteams könnte schon in den nächsten 75 Jahren die schützende Deckschicht über Camp Century abzutauen beginnen. Eine noch unmittelbarere Sorge bereitet jedoch das Schmelzwasser, dass von der Eisoberfläche über Risse und Spalten im Gletschereis bis in große Tiefen hinabstürzen kann. Studien belegen, dass es unter dem grönländischen Eisschild Dutzende subglazialer Seen und unzählige Schmelzwasserflüsse gibt. Wenn diese das Niveau von Camp Century erreichen, könnte sie die giftigen und radioaktiven Abfälle großflächig verteilen und bis ins Meer transportieren.
„Das birgt eine ganz neue politische Herausforderung, über die wir uns Gedanken machen müssen“, sagt Colgan. Denn die kontrollierte Bergung der Abfälle ist teuer und technisch aufwändig, vor allem aber ist nicht einmal geklärt, wer dafür überhaupt zuständig wäre. Zwar liegt Camp Century auf grönländischem Boden und damit in dänischem Gebiet, aber Verursacher der Abfälle war die US-Militär – und die hat sich in den Verträgen mit Dänemark zur Entsorgung ihrer Abfälle verpflichtet.
Noch bleibt den Verantwortlichen etwas Zeit, sich über die Zuständigkeiten zu streiten. Denn Colgan und sein Team empfehlen, mit der Bergung und Entsorgung der Abfälle abzuwarten, bis die Eisschicht soweit geschmolzen ist, dass die Schadstoffe nur noch knapp unter der Oberfläche liegen. Erst dann sollte man ernsthaft über einen Abtransport nachdenken, so die Wissenschaftler.