Der größte und gleichzeitig wichtigste Schutzschild der Erde ist ihr Magnetfeld. Wie ein Faraday’scher Käfig umschließt das Gitter aus Magnetfeldlinien unseren Planeten – und ähnlich wie dieser wirkt es auch: Für den größten Teil der energiereichen geladenen Teilchen des Sonnenwinds und der kosmischen Strahlung ist bereits hier Schluss – gut 65.000 Kilometer über der Erdoberfläche.
Bugwelle im All
Motor für das Erdmagnetfeld ist die Bewegung des flüssigen Eisens im äußeren Erdkern gegenüber dem festen inneren Eisenkern. Wie bei einem Elektromagneten erzeugt diese Strömung ein elektromagnetisches Feld. Gäbe es den Sonnenwind nicht, hätte dieses Feld die gleiche symmetrische Form wie bei einem klassischen Dipolmagneten.
Doch die Realität sieht anders aus – und weitaus dramatischer. Der mit Überschallgeschwindigkeit aus Richtung Sonne kommende Teilchenwind prallt mit enormer Energie auf das Erdmagnetfeld und wird dabei abrupt abgebremst. Dabei bildet sich eine stehende Schockwelle, ähnlich der Bugwelle eines Schiffs. Doch die Barriere hält: Ein Großteil des Sonnenwinds wird in der Aufprallzone abgelenkt und strömt seitlich am Magnetschirm der Erde vorbei.
Kaulquappe statt Kugel
Das ständige, energiereiche Bombardement geht am irdischen Schutzschirm allerdings nicht spurlos vorüber: Der Vorbeistrom des Sonnenwinds löst komplexe elektrische Feldströmungen aus, deren Einfluss weit in die Magnetosphäre hineinreicht. Durch den heftigen Aufprall des Teilchenwinds werden zudem die Feldlinien auf der sonnenzugewandten Seite stark zusammengedrückt, auf der abgewandten Seite dagegen zu einem Millionen Kilometer langen Magnetosphärenschweif ausgezogen.
Als Folge gleicht unsere Magnetsphäre eher einer länglichen Kaulquappe, deren Kopf der Sonne zugewandt ist. Und der hin- und her flatternde Schweif dieser Kaulquappe hat es in sich. Denn immer wieder ereignen sich im von Plasma erfüllten Zentrum des Magnetschweifs heftige Explosionen. Mit Geschwindigkeiten von mehr als drei Millionen Kilometer pro Stunde schießen diese Plasmaausbrüche energiereiche Teilchen weit ins All und Richtung Erde. Sie können Polarlichter auslösen und sogar die Funktion von Satelliten beeinträchtigen.
Plasmaschleuder und Weltraumbeben
Wie diese Plasmaexplosionen entstehen und was dabei geschieht, haben erst in den letzten Jahren NASA-Raumsonden nach und nach enthüllt. Wie sich zeigte, dehnt der Teilchenstrom des Sonnenwinds den Magnetschweif manchmal so weit, dass dieser kurz darauf wie ein Gummiband zurückschnellt. Dabei wird eingefangenes Plasma des Sonnenwinds wie durch eine Schleuder in Richtung Erde katapultiert.
Diese Plasmajets treffen zehntausende Kilometer über dem Äquator auf das innere Magnetfeld. Dieser Einschlag löst eine Art Zurückfedern aus, bei dem sich das Plasma auf dem schwingenden Magnetfeld wie ein Gummiball auf und ab bewegt. Diese Erschütterungen sind so stark, dass sie sogar auf der Erdoberfläche registriert werden können. Die von diesen „Spacequakes“ freigesetzte Energie kann die eines Erdbebens der Magnitude 5 bis 6 erreichen.
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Doch das ist noch nicht alles: „Wenn Plasmajets die innere Magnetosphäre treffen, erscheinen Wirbel mit entgegengesetzter Rotation beiderseits des Plasmajets“, erklärt Rumi Nakamura vom österreichischen Weltraumforschungsinstitut. Diese rotierenden Ströme magnetisierten Gases sind so groß wie die Erde selbst und drehen sich am Rand des schwingenden Magnetfelds.
Zusammen sorgen diese Turbulenzen und Beben dafür, dass der Magnetkäfig unseres Planeten auf der Schweifseite löchrig ist. Dort und an den Polen können daher geladene Teilchen aus dem Weltraum tiefer in Richtung Erde vordringen als sonst. Aber glücklicherweise gibt es ja noch weitere Schutzschilde…
Nadja Podbregar
Stand: 15.07.2016