Selbst bei den Gletschern, die bereits vermessen sind und in einem Inventar erfasst, fehlen den Klima- und Gletscherforschern meist wichtige Informationen. So sind beispielsweise Daten über das Eisvolumen in der Regel nicht verfügbar. Doch genau diese benötigen die Wissenschaftler dringend, um zu berechnen, wie viel Wasser im Eis des jeweiligen Gletschers gespeichert ist und beim Abtauen dann frei würde.
Höhe, Lage und vieles mehr
Neben der reinen Bestandsaufnahme des Gletschereises ist auch die Veränderung entscheidend. Denn erst diese Daten liefern wichtige Informationen darüber, wie sich die Gletscher entwickeln und voneinander unterscheiden – ob sie beispielsweise anfälliger sind für ein Abschmelzen und ihren Fluss talwärts beschleunigen oder nicht. Schrumpft ein Gebirgsgletscher beispielsweise besonders rapide, trägt sein Schmelzwasser in dieser Zeit auch mehr zum Anstieg des globalen Meeresspiegels bei.
Was aber bestimmt, wie anfällig ein Gletscher ist? Zum einen ist es – klar – die Höhenlage. Denn in Gebirgen nehmen mit der Höhe die Temperatur ab und meist auch der Niederschlag zu. In Gipfelregionen kann er leicht das Doppelte der Menge von Tallagen erreichen. Da er in der Höhe oft als Schnee fällt, liefert er den wichtigen Nachschub für das Eis der Gletscher. In den Alpen gibt es zudem Unterschiede zwischen den Lagen am Rand und im Inneren, wo deutlich weniger Niederschläge fallen. Ein weiterer Faktor ist auf die Form des Gletschers und seine Dicke. Sehr lange, weit ins Tal reichende Gletscher sind anfälliger, weil sie auf größerer Fläche höheren Temperaturen ausgesetzt sind. Dünne Eisfelder tauen schneller ab als dicke.
Statistik und indirekte Methoden als Notbehelf
Ursprünglich bestand die Absicht, die Beobachtungen des globalen Inventars in einem Abstand von 50 Jahren zu wiederholen. Inzwischen zeigen die Beobachtungen in vielen Regionen der Erde aber, dass diese Zeitspanne beim derzeitigen raschen Gletscherschwund viel zu lang ist. In 50 Jahren könnten viele der vermessenen Eisriesen längst verschwunden sein. Andererseits aber ist es den Forschern weltweit trotz großer Anstrengungen bisher noch nicht einmal gelungen, das erste Inventar – und damit den Ausgangswert für alle Gletscher vollständig abzuschließen.
Die Untersuchungen zu den globalen Gletscherveränderungen können daher meist nur auf statistische Methoden zurückgreifen, um aus den bestehenden Beobachtungen auf die globale Entwicklung zu schließen. Dabei müssen jedoch auch die sehr unterschiedlichen klimatischen Verhältnisse in den jeweiligen Gebieten berücksichtigt werden. Speziell das fehlende Wissen um die Eisvolumen bringt eine erhebliche Unsicherheit für die Prognose der zukünftigen Gletscherentwicklung mit sich. Denn ohne Wissen über die Eisdicke kann aus der Bilanz von Schneefall und Eisschmelze keine Flächenänderung der Gletscher berechnet werden.
Christoph Mayer, Wilfried Hagg / Bayerische Akademie der Wissenschaften
Stand: 04.01.2013