Es sieht ganz unschuldig aus, wie er seine kleinen, rötlich überlaufenen Blätter der Blattrosette über das Torfpolster reckt. Einladend simulieren die Drüsen an den Blatträndern Tautropfen, die in der Sonne glitzern. Das durstige Insekt, das sich auf diese Täuschung einlässt, ist nicht das erste. Das gleiche Schicksal wird es ereilen, dass schon viele andere Insekten vor ihn traf – es wird gefressen.
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Der rundblättrige Sonnentau ist einer von drei Arten, die in Mitteleuropa beheimatet und ebenso wie ihr Lebensraum stark gefährdet sind. Er ist hier auf den offenen Hochmoorflächen in den Torfmoosbulten zu finden. Aus der Blattrosette der Sonnentaus entwickelt sich ein Stand aus weißen Blüten, der sich bis zu 20 Zentimeter über die Moosoberfläche erheben kann. Die Blätter der Blattrosette sind gestielt und rund. Berührt man ein Blatt ganz vorsichtig, stellt man zwei Dinge fest. Das vermeintliche Tautröpfchen, das eigentlich ein Sekret von Verdauungsdrüsen ist, klebt und das Blatt beginnt sich nach oben zu wölben.
Ist eine Fliege, ein Käfer oder auch eine Libelle einmal in Kontakt mit den Tautropfen gekommen, gibt es keine Rettung mehr. Sie kleben fest; auf den Berührungsreiz hin klappt die Pflanze ihre Blätter über das gefangene Insekt und bringt es so mit möglichst vielen seiner Klebetröpfchen in Verbindung. Ist das Insekt zu groß, teilen sich benachbarte Pflanzen auch die Verdauungsarbeit. Das klebrige Sekret enthält Verdauungsenzyme, die das körpereigene Eiweiss des Insekts in seine Bausteine, die Aminosäuren zerlegen. Schnell werden die aufgeschlossenen Nährstoffe aufgenommen und in die Verteilungs- und Speicherorgane der Pflanze transportiert. Bereits nach zwölf Stunden haben die Nährstoffe Stängel und Wurzel des Sonnentaus erreicht. Die Pflanze kann nun ihrerseits wieder wachsen.