Wie wandelbar die Influenza-Viren sind, zeigen auch jüngste Nachrichten aus Asien: innerhalb der letzten Monate haben dort gleich zwei Vogelgrippe-Viren den Sprung auf den Menschen geschafft – zumindest in Teilen.
H7N9: Zweite Infektionswelle wird erwartet
Anfang April 2013 erkrankten in China drei Menschen an einem Influenza-Virus, dass zuvor noch nicht beim Menschen nachgewiesen worden war – wohl aber bei Geflügel. „Dies ist das erste Mal, dass dieser Vogelgrippe-Subtyp bei Menschen nachgewiesen wurde“, erklärte kurz darauf die US-Seuchenbehörde CDC. Wenig später schon traten weitere Fälle sowohl in Schanghai und Umgebung auf als auch in anderen, hunderte von Kilometern entfernten Städten, einige Menschen starben.
Sorge bereiten den Seuchenexperten dabei vor allem zwei Dinge: Dieses Vogelgrippe-Virus des Typs H7N9 unterschied sich von der zuvor bei Geflügel bekannten Variante. Aus Untersuchungen des CDC ging hervor, dass eine Schlüsselkomponente von H7N9, das Oberflächenprotein Hämagglutinin (H), bereits Mutationen enthielt, die ihm die Bindung an menschliche Zellen ermöglicht. Jetzt komme es darauf an, ob sich dieses Protein weiter verändert und so eine ungehinderte und effektive Übertragung zwischen Menschen möglich macht, so die Experten. Noch allerdings scheint das H7N9-Virus nur durch direkten Kontakt von Vogel und Mensch übertragen zu werden – nicht von Mensch zu Mensch
Neu und bereits teilweise resistent
Zum einen handelt es sich um einen Virustyp, mit dem das menschliche Immunsystem zuvor noch nicht konfrontiert war. Es verfügt daher über keine Vorimmunität gegen diesen Erreger. Eine Infektion verläuft daher weitaus schwerer als bei einer gewöhnlichen Grippe. Sollte der Erreger die Artbarriere endgültig überwinden, wäre die Mortalität daher hoch. Helfe könnten dann anfangs nur antivirale Medikamente, denn bis ein Impfstoff gegen diesen spezifischen Influenza-Typ entwickelt wird, dauert es Wochen bis Monate. Vor allem die Wirkstoffe Ozeltamivir – bekannt als Präparat Tamiflu – und Zanamivir (Relenza) wären daher zuerst Wirkstoffe der Wahl.
Allerdings: Im Juli 2013 traten US-Forscher mit einer weiteren schlechten Nachricht an die Öffentlichkeit: Dies antiviralen Mittel könnten nur noch eingeschränkt wirken. Denn bei Tests im Labor zeigte sich, dass bereits 35 Prozent der H7N9-Viren aus China eine Mutation besaßen, die sie gegen Ozeltamivir und Zanamivir schützte. Eine Behandlung wäre daher nur eingeschränkt oder sogar gar nicht wirksam. Glücklicherweise sind in China seit dem Frühsommer kaum weitere Fälle mit H7N9 aufgetreten. Aber es droht ein Comeback. Experten rechnen damit, dass mit dem Herbst auch eine neue Epidemie beginnt.
H6N1: Einzelfall oder Spitze eines Eisbergs?
Und H7N9 ist nicht der einzige Vogelgrippe-Virus auf dem Sprung: Erst vor wenigen Tagen meldeten Forscher der Centres for Disease Control in Taiwan das Auftauchen eines weiteren neuen Influenza-Typs: Influenza H6N1. Eine 20-jährige Patientin war an diesem seit 1972 unter Hühnern in Taiwan grassierenden Vogelgrippe-Virus erkrankt. Und auch dieses Vogelvirus besitzt bereits erste Anpassungen an den Menschen: Eine Genmutation im Hämagglutinin-Protein an seiner Oberfläche ermöglicht es diesem Virenstamm, sich an eine Andockstelle menschlicher Zellen anzulagern. „Dieser Rezeptor – SAα-2,6 – findet sich auf Zellen im oberen Atemwegstrakt“, erklärt Ho-Sheng Wu von der taiwanesischen Seuchenbehörde.
Noch ist unklar, wie sich die 20-Jährige mit diesem mutierten Virus angesteckt hat und wo dieses entstanden sein könnte. Die Forscher halten es aber für möglich, dass dieser Fall nur die Spitze eines Eisbergs sein könnte und dass möglicherweise schon mehr dieser mutierten Viren in Umlauf sind. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine einzigartige Gruppe von H6N1-Viren mit Anpassungen an menschliche Rezeptoren bei taiwanesischen Geflügel schon endemisch und dominant geworden sein könnte“, warnt Wu. Weitere Untersuchungen seien nun nötig, um die potenzielle Gefahr durch dieses Virus zu klären.
Nadja Podbregar
Stand: 22.11.2013