„Grünland“ nannte der Wikinger Erik der Rote die gewaltige Insel, die er um das Jahr 982 im Nordatlantik entdeckte. Diese Namenswahl ist heute sicher nicht mehr leicht nachzuvollziehen. Sie erklärt sich aber durch zwei einfache Umstände. Das Klima war damals etwas wärmer als heute und so machte die Insel tatsächlich einen grüneren Eindruck. Der Hauptgrund für diese Betitelung liegt aber vermutlich in einem Werbetrick Erik des Roten. Er wollte andere Nordmänner für die Besiedlung der Insel begeistern und wählte daher diese viel versprechende Bezeichnung.
Über 80 Prozent Grönlands – gut 1,8 Millionen Quadratkilometer – sind heute von einem gewaltigen, bis zu 3.000 Metern mächtigen Eisschild bedeckt. Die Bundesrepublik Deutschland könnte man fast fünf Mal in dieser riesigen Eisfläche unterbringen und die Zugspitze würde in ihrer gesamten Höhe darin verschwinden, so immens sind diese Dimensionen. Doch das Eis, einzigartiges Naturparadies sowie Lebens- und Kulturraum der Inuit, scheint dem Untergang geweiht. Denn Forscher diskutieren heute längst nicht mehr darüber ob, sondern wie schnell Grönlands „Attraktion Nummer Eins“ schmilzt.
Das Eis wird dünner
Zwar gibt es vor allem in Südgrönland auch Bereiche, die sich entgegen dem allgemeinen Trend eher abkühlen, insgesamt nimmt der Massenverlust der Eiskappe aber rekordverdächtige Ausmaße an. Das Gebiet, das von einer Eisschmelze betroffen ist, wuchs laut Forschungsergebnissen aus dem Jahr 2002 in 15 Jahren um 16 Prozent an. Und die Tendenz ist steigend. Diese besorgniserregende Erkenntnis lieferte bereits 2004 der so genannte „Arctic Climate Impact Assessment“ Report (ACIA). Ein internationales Team aus über 300 Wissenschaftlern, das die Veränderungen in Grönland und im übrigen arktischen Raum erforscht, erstellte diese Studie im Auftrag des „Arktischen Rates“, einem Forum der arktischen Regierungen und indigener Volksgruppen.
Neuste wissenschaftliche Untersuchungen belegen diesen Trend. So hält die im Februar 2007 veröffentlichte Zusammenfassung des Klimaberichtes vom Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) fest: „Die Eisschilde auf Grönland und der Antarktis verlieren gegenwärtig Masse durch Schmelzen und Gletscherabbrüche.“ Rund 248 Kubikkilometer Eis sind allein zwischen April 2002 und April 2006 pro Jahr verloren gegangen, der Hauptteil davon in Südgrönland, berichteten die Wissenschaftler Isabella Velicogna and John Wahr von der University of Colorado in Boulder im Wissenschaftsmagazin „Nature“. Dies entspricht in etwa dem fünffachen Volumen des Bodensees. Die Auswertung einer Satellitenmission hat den Forschern zudem gezeigt, dass die Geschwindigkeit mit der das Eis schmilzt in ihrem vierjährigen Messzeitraum angestiegen ist. Von April 2004 bis April 2006 ist der Eisverlust sogar zweieinhalb Mal so hoch gewesen, wie in den beiden Jahren zuvor.
Doch gibt es vielleicht trotzdem noch Hoffnung für das grönländische Eis? Klimamodelle haben errechnet, das bei einer zunehmenden Erwärmung auch der Niederschlag in den Polarregionen steigt und der höhere Schneefall den Massenverlust ausgleichen könnte. Dies gilt allerdings leider nicht für Grönland. Die US-Forscherin Susan Solomon von der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) bestätigt: “Für Grönland haben wir festgestellt, das dieser Effekt bei einem Temperaturanstieg sehr schnell verloren geht, so dass ein höherer Schneefall das gesteigerte Schmelzen nicht völlig aufheben kann.“
UNESCO-Weltnaturerbe in Gefahr
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Nicht nur das Eisvolumen im grönländischen Inland ist demnach in Gefahr, auch die küstennahen Gletscher der Insel reagieren auf den globalen Temperaturanstieg. Der Jakobshavn Isbrae, einer der größten Gletscher Grönlands und Teil des seit 2004 von der UNESCO als Weltnaturerbe geschützten Ilulissat-Eisfjords, ist heute einer der schnellsten und produktivsten Eisströme der Welt. Wie ein Forschungsteam der TU Dresden im Sommer 2004 bewies, hat sich sogar seine ohnehin schon hohe Fließgeschwindigkeit seit den 90er Jahren noch nahezu verdoppelt. Derzeit schiebt er sich pro Tag 35 bis 40 Meter in Richtung Meer. Die Gletscherfront zog sich gleichzeitig innerhalb von nur drei Jahren um zehn Kilometer zurück, wodurch eine Gesamtfläche von circa 100 Quadratkilometern verloren ging.
Stand: 18.05.2007