Als die US-amerikanischen Radrennfahrer vor wenigen Tagen in Peking ankamen, verursachten sie einen Eklat. Alle hatten sich eine schwarze Schutzmaske aus Stoff vor Mund und Nase gebunden, um dem Smog in der Olympiastadt zu entgehen. Die Geste wurde von den Chinesen als Provokation aufgefasst
Mittlerweile haben sich die Athleten offiziell entschuldigt. Doch der Zweifel über die Qualität der chinesischen Luft rund um die Wettkampfstätten bleibt. Und das spürbar: Wenige Tage vor Beginn der Olympischen Spiele versank die Stadt wieder im Smog aus Autoabgasen, Industrie-Emissionen und Staubpartikeln. In manchen Gegenden des Pekinger Zentrums konnte man nicht weiter als 500 Meter sehen, die Wolkenkratzer der Metropole verloren sich im Dunst.
Wachstum auf Kosten der Umwelt
Das gigantische Wirtschaftswachstum Chinas in den letzten Jahren hat enorme Umweltprobleme mit sich gebracht. Das Land ist mittlerweile nach den USA zweitgrößter Emittent des Treibhausgases CO2, 31 der 50 schmutzigsten Städten weltweit liegen dort.
Zwar bemüht sich China um aktive Umweltpolitik: In den letzten Jahren wurden rund 70 Gesetze und Verordnungen zum Schutze der Umwelt verabschiedet. Und im Jahr 2006 veröffentlichte die nationale Umweltbehörde erstmals ein „grünes Bruttosozialprodukt“. Demnach betragen die jährlichen Folgekosten aus Umweltschäden jährlich acht bis zehn Prozent des BSP – das entspricht etwa dem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum der letzten Jahre, das so quasi „aufgefressen“ wird.
Chinas Umwelt-Experten: Luft ist sauber
Gerade die Vorbereitung der Olympischen Spiele sollte dem Land einen Impuls für eine saubere Umwelt bringen. Und laut chinesischen Experten ist das auch gelungen: „Die Luftqualität im August wird gut sein,“ versicherte Du Shaozhong vom Kommunalen Pekinger Umweltschutz-Büro Ende Juli. Und: „Der Grad der Luftverschmutzung ist sogar 20 Prozent niedriger als die Werte vor einem Jahr als die gleichen Wetterbedingungen herrschten.“ Konkrete Nachweise lieferte der chinesische Umwelt-Verantwortliche allerdings nicht.
Was die Chinesen allerdings als „saubere Luft“ bezeichnen, entspricht noch lange nicht den Maßstäben des Westens. Der Ozon-Wert, besonders für Langstrecken-Sportler ein wichtiger Umwelt-Index, wird in China nicht veröffentlicht. Messungen der Weltgesundheitsorganisation WHO haben aber ergeben, dass die Werte an Smog-Tagen zwei- bis dreifach über die Höchstmarken der WHO liegen.
Zweifelhafte Umwelt-Daten
Offiziell gibt es für Peking lediglich den Luftverschmutzungs-Index API. Er wird aus den Konzentrationen von Feinstaub, Schwefeldioxid und Stickstoffdioxid ermittelt. Doch nur der Schadstoff mit der höchsten Konzentration bestimmt schließlich den API-Wert.
Liegt der API-Wert beispielsweise bei 200, weil es an einem Tag eine besonders hohe Feinstaub-Konzentration gab, überschreitet der den von der WHO als gesund eingestuften Wert bereits um das Vierfache. Unabhängige Messungen in der Nähe des Olympiastadions haben sogar fünfmal höhere Werte ermittelt.
Die chinesische API-Skala endet bei 500. Die Umweltorganisation WWF kritisiert deshalb: „Schlechte Tage können diesen Wert bei weitem überschreiten, was sich nirgends ausdrückt.“
Auch Steven Andrews, ein unabhängiger Umwelt-Berater aus den USA, meldete kurz vor den Spielen in zahlreichen Interviews Zweifel an, ob die Umwelt-Werte, die die chinesische Regierung zur Verfügung stelle, überhaupt verlässlich seien.
So habe man die Lage verschiedener Messstellen geändert, um die Durchschnittswerte zu schönen. Aus der stark mit Smog belasteten Innenstadt habe man zwei bis drei Messstationen entfernt und dafür in den weniger luftverschmutzten Außenbezirken Pekings aufgestellt. So seien die Werte der Datenmessungen aus den Jahren 1984 bis 2005 und die der letzten drei Jahr nicht mehr miteinander vergleichbar. Die Behauptung Chinas, dass die Luft in diesem Jahr besser sei als in den Jahren zuvor, halte Andrews für zweifelhaft. „Deswegen versteht sich wohl mein Zögern von selbst, den offiziellen Daten über die Luftqualität zu glauben.“
Auch IOC ist skeptisch
Selbst einzelne Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) brachten ihre Skepsis zum Ausdruck, ob die Bedingungen den Sportlern nicht schaden könnten. Gunilla Lindberg, Vize-Präsidentin des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) aus Schweden, gab zu: „Nein, es sieht wirklich nicht gut aus. Am Tag, als ich ankam, war es furchtbar.“ Und auch IOC-Präsident Jacques Rogge räumte ein, dass man die Freiluft-Wettkämpfe verschieben werde, wenn die Luft-Qualität zu schlecht sei.
Stand: 09.08.2008