Dass Musik bei psychischen Leiden und Erkrankungen hilft, erscheint naheliegend. Doch inzwischen mehren sich die Hinweise darauf, dass die Wirkung der sanften Töne weit darüber hinaus geht. Auch Herz, Gefäße, Immunsystem und sogar die Muskeln lassen sich durch Musik messbar positiv beeinflussen. „Wir haben überzeugende Belege dafür, dass musikalische Therapien in ganz verschiedenen medizinischen Bereichen heilsam wirken können – vom Operationssaal bis hin zur Hausarztpraxis“, erklärt der kanadische Neurowissenschaftler Daniel Levitin, Autor des Buchs „Music and the Brain“.
So lindert maßgeschneiderte Musiktherapie nachweislich die Schmerzen von Patienten nach Bauch- und Herzoperationen. Die Patienten benötigen dadurch weniger Schmerzmittel und erholen sich schneller. Ähnlich positive Ergebnisse gibt es auch für Patienten mit schweren Verbrennungen und bei Menschen mit chronischen Schmerzleiden.
Klingende Reha
Besonders heilsam scheint sich Musik bei der Rehabilitation von Herzinfarkt- und Schlaganfallpatienten auszuwirken. Zum einen lindert die maßgeschneiderte Berieselung bei diesen Patienten Angst und Stress und macht es dem Körper so leichter, die Schäden zu reparieren. Zum anderen beeinflusst die Musik den Herzschlag, Blutdruck und die Gefäßfunktion positiv und beugt so erneuten Herzinfarkten oder Schlaganfällen vor.
Bei Patienten mit koronarer Herzerkrankung verbesserte das regelmäßige Musikhören den Blutfluss und die Elastizität der Gefäße sogar genauso effektiv wie sportliches Training. In einer anderen Studie sank der systolische Blutdruck von Herzpatienten allein durch täglich 25 Minuten Musikhören um zwölf Punkte, der diastolische um fünf Punkte.
Singen stärkt die Abwehrkräfte
Noch relativ neu ist die Erkenntnis, dass Musik auch unser Immunsystem nachhaltig beeinflusst. Wenn wir Musik hören oder selbst Musik machen, schüttet unser Körper vermehrt Immunglobulin A und Killerzellen aus, wie Forscher herausfanden. Diese Akteure der Immunabwehr sind wichtige Helfer im Kampf gegen Infektionen durch Bakterien oder Viren. Die richtige Musik könnte daher durchaus dazu beitragen, uns besser gegen eine Erkältung zu wappnen.
Einen weiteren positiven Effekt auf das Immunsystem erbrachte eine Studie mit Krebspatienten. Diese sangen während und nach ihrer Chemotherapie regelmäßig in einem Patientenchor. Analysen ihrer Blut- und Speichelproben ergaben, dass sich durch die Musik nicht nur ihre Stressbelastung verminderte, auch die Werte für zehn verschiedene Immunbotenstoffe veränderten sich. So sank die Menge an entzündungsfördernden Botenstoffen, dafür stieg der Gehalt an positiv wirkenden Zytokinen an, wie die Forscher feststellten. Auch einige Biomoleküle, die das Tumorverhalten beeinflussen, veränderten sich durch das regelmäßige Singen.
„Dies ist das erste Mal, dass klar demonstriert wird, wie das Immunsystem durch das Singen beeinflusst wird“, sagt Studienleiter Ian Lewis von der Tenovus Cancer Care Klinik in Wales. „Das ist wirklich spannend und könnte die Art und Weise verbessern, wie wir künftig Patienten mit Krebs unterstützen.“
Nadja Podbregar
Stand: 26.05.2017