So vielfältig die Formen der Dünen auch sein mögen, Sand, der gemeinsame Grundbaustein aller Dünen, ist leicht durchschaubar – möchte man meinen. Doch die kleinen Körner haben es in sich. Nicht nur, weil wohl jede Sandprobe aus den Wüsten der Erde eine andere Herkunft und damit einen anderen Mineralienbestand hat. Deshalb verfügt jeder Sand über eine ganz individuelle Farbe und eine spezielle Oberflächenstruktur der einzelnen Körner.
Vierter Aggregatzustand
Sand ist ein Stoff, der selbst von Wissenschaftlern noch nicht vollständig verstanden wird. Manchmal verhält er sich wie ein Festkörper, manchmal wie eine Flüssigkeit. Warum dies jedoch so ist und welche Mechanismen hier wirken, ist noch weitestgehend ungeklärt. Erst vor wenigen Jahren hat sich die Physik dem Phänomen Sand zugewandt und begonnen, die so genannte „granulare Materie“ zu erkunden. Wissenschaftler sprechen angesichts der widersprüchlichen Eigenschaften sogar vom vierten Aggregatzustand.
Die Frage mit dem Stundenglas
Warum beispielsweise rinnt Sand stets gleichmäßig durch ein Stundenglas, während sich dagegen die Fließgeschwindigkeit von Wasser mit dem Gewicht der Wassersäule über der Öffnung der Sanduhr ändert?
Der Grund hierfür ist die besondere Kraftübertragung, die zwischen den einzelnen Sandkörnern wirkt. Ist Sand sehr dicht gepackt, bilden die sich nur punktuell berührenden Körner ein Netzwerk aus bogenförmigen Brücken mit Hohlräumen dazwischen. Ähnlich wie bei einem hoch aufragenden gotischen Gewölbe wird hier die Kraft auf die einzelnen Bausteine – die Sandkörner – gleichmäßig verteilt. Auf die Körner, die direkt an der Sanduhr-Taille liegen, wirkt so stets der gleiche Druck, egal, wie viel Sand noch darüber liegt. Die Geschwindigkeit, mit der der Sand nach unten rieselt, bleibt konstant.
Physik am Strand
Ein andere überraschende Eigenschaft des Sandes ist die so genannte Dilatanz. Verformt man ein dichtes Sandpaket, lockert sich das Korngefüge, nimmt das Volumen der Hohlräume zwischen den Sandkörnern im Verhältnis zu den Körnern zu. Tritt man beispielsweise am Strand auf durchfeuchteten Sand, steht man nicht plötzlich im Nassen – im Gegenteil. Solange der Sand zusammengepresst wird, erscheint die Oberfläche trocken, weil die Hohlräume zwischen den Sandkörnern kurzzeitig mehr Wasser aufnehmen können.
Am Strand ist auch erkennbar, dass sich Sand nahezu allein entmischt. An der Oberfläche liegen stets die großen Körner, kleinere Körner sind weiter unten. Die Ursache für den so genannte „Paranuss-Effekt“ – wie in einer Tüte Studentenfutter arbeiten sich stets die großen Partikel nach oben, die kleinen fallen nach unten durch – ist noch nicht geklärt.
Kriechen, Springen, Fliegen
Egal ob jedoch der Sand nass oder trocken ist, immer sind die oberen zehn Zentimeter einer Sandschicht durch Wind in Bewegung. Und weil sich jedes einzelne Sandkorn irgendwann bewegt, geraten Kilometer lange Dünen in Bewegung, legen manchmal pro Jahr sogar mehrere hundert Meter zurück.
Das geschieht natürlich etappenweise. Je größer ein Sandkorn ist, desto kürzer ist die Distanz, die es mit einem Windstoß zurücklegen kann, und desto langsamer kommt es vorwärts. Große Sandkörner mit über 0,4 Millimeter Durchmesser bewegen sich deshalb eher kriechend fort, durch die so genannte Reptation. Bei der Saltation dagegen wirbelt der Wind kleinere Körner ein kurzes Stück durch die Luft. Wenn sie aufprallen ist ihr Schwung so groß, dass sie andere Körner wie beim Billard anstoßen und ganze Kaskaden von weiteren Sandkörnern in Bewegung setzen. Winzig kleine Sandpartikel mit einem Durchmesser kleiner als ein menschliches Haar können Windströmungen je nach Stärke sogar über mehrere Tausend Kilometer durch die Atmosphäre transportieren. Je mehr Sand der Wind aufnimmt, desto schwächer wird er aber auch, so dass der Sand schließlich irgendwann wieder zu Boden fällt.
Stand: 24.11.2006