Klima

Halb und halb

Hybridisierung ist kein Sonderfall

Nicht jedes hybride Tier ist so auffällig wie das legendäre geflügelte Pferd Pegasus. Tatsächlich sind Hybride häufig äußerlich unscheinbar und nur anhand ihres Genoms als solche zu erkennen. Das hat dazu geführt, dass das wahre Ausmaß der Hybridisierung in der freien Wildbahn lange verkannt wurde. Mittlerweile schätzen Studien, dass ein bis zehn Prozent aller bekannten Tierarten und 25 Prozent aller Pflanzenarten Hybride zeugen.

Liger
Das Fell dieser „Liger“ vereint den sandfarbenen Ton ihres Löwen-Vaters mit den Streifen ihrer Tiger-Mutter. © Camphora/ gemeinfrei

Von Pizzlys und Töwen

Doch was sind Hybride überhaupt? Ein Hybridtier entsteht, wenn Angehörige zweier divergenter Linien Nachwuchs miteinander zeugen. Das bedeutet, dass sich die Linien der Elterntiere im Zuge der Evolution eigentlich voneinander abgespalten haben, nun aber wieder zusammengelaufen sind. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Eltern eines Hybriden verschiedenen Unterarten angehören – wie bei Wolf (Canis lupus) und Hund (Canis lupus familiaris).

Auf der nächsthöheren Ebene der biologischen Klassifikation ist auch eine erfolgreiche Paarung zwischen zwei verschiedenen Arten möglich. So können zum Beispiel Eisbär und Grizzlybär zusammen Cappuccino-Bären – auch Pizzlys oder Grolar Bären genannt – zeugen und aus Tiger und Löwe entstehen Liger beziehungsweise Töwen. Die korrekte Bezeichnung richtet sich danach, welcher Art der Vater angehört.

In seltenen Fällen ist es sogar möglich, dass Tiere verschiedener Gattungen miteinander Nachwuchs zeugen. Das ist etwa bei der Schiege der Fall, einem Hybriden aus Schaf und Ziege. Allerdings gehören hier beide Elterntiere trotzdem noch zur selben Unterfamilie. Die Hybridisierung hat also immer noch ihre Grenzen. Ein waschechter Pegasus mit Vogelpapa und Pferdemama liegt außerhalb des genetisch Möglichen.

Maulesel
Aufgrund ihrer robusten Natur wurden Maultiere und Maulesel früher häufig im Militär eingesetzt. Das Exemplar im Bild trägt ein rückstoßfreies Gewehr des US-Militärs. © Department of Defense. Department of the Army. Fort Leavenworth, Kansas.

Sackgasse oder neuer Zweig?

Hybride können entweder gezielt durch menschliche Züchtung oder in der freien Wildbahn entstehen. Ein Beispiel für einen gezüchteten Hybriden sind Maultiere und Maulesel, Kreuzungen aus Pferd und Esel. Mulis verbinden Ausdauer und Trittsicherheit des Esels mit Kraft und Mut des Pferdes und waren deshalb lange in Landwirtschaft und Militär beliebt. Maultiere und Maulesel sind allerdings in den meisten Fällen steril. Sie können selbst also keine Nachkommen mit anderen Mulis, Pferden oder Eseln zeugen.

Das trifft jedoch längst nicht auf alle Hybriden zu. Es gibt durchaus auch solche, die sich mit anderen Hybriden oder den Elternarten fortpflanzen können. So haben Forschende mithilfe genetischer Analysen etwa herausgefunden, dass sich Cappuccino-Bären mit Grizzly-Bären paaren. Und auch weibliche Liger können mit einem Tiger oder Löwen Nachwuchs zeugen. Hybride sind also längst keine Sackgasse der Evolution, sondern eine wichtige evolutive Kraft, die bestehende Arten verändern oder sogar zur Entstehung völlig neuer Arten führen kann.

Wer das liest, ist hybrid

Die wichtige Rolle der Hybridisierung wird besonders deutlich, wenn wir eine Hybridspezies genauer betrachten, die wir alle sehr gut kennen: uns selbst. In unserer DNA schlummern längst nicht nur Homo sapiens-Gene, sondern auch solche, die von der Kreuzung mit mittlerweile ausgestorbenen Menschenarten wie dem Neandertaler oder dem Denisova-Mensch stammen.

Forschende um Michael Hammer von der University of Arizona in Tucson gehen sogar davon aus, dass dieser genetische Austausch ein typisches Merkmal der menschlichen Evolution gewesen sein könnte. „Die Hybridisierung könnte eine Schlüsselrolle für die Neubildung einiger unserer einzigartig menschlichen Eigenschaften gespielt haben“, erklären die Wissenschaftler.

  1. zurück
  2. 1
  3. |
  4. 2
  5. |
  6. 3
  7. |
  8. 4
  9. |
  10. 5
  11. |
  12. weiter
Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Die Ära der Cappuccino-Bären
Wie der Klimawandel hybride Tiere begünstigt

Halb und halb
Hybridisierung ist kein Sonderfall

Je wärmer, desto größer die Kontaktchancen
Der Klimawandel als Hybrid-Beschleuniger

Die neue Arktis
Hybrid-Wunderland im doch nicht so ewigen Eis

Joker gegen den Klimawandel?
Das zweischneidige Schwert der Hybridisierungen

Diaschauen zum Thema

News zum Thema

keine News verknüpft

Dossiers zum Thema