Neurowissenschaften

„Hallo“ und „Hola“ im Hirn

Wie ändert Sprachenlernen die Gehirnstrukturen?

Maabla, Mama oder mum – wenn Kinder vor sich hin reden, können Eltern das erste echte Wort teilweise schwer vom üblichen Gebrabbel unterscheiden. Besonders schwierig könnte dieser Akt der Worterkennung für Eltern von bilingualen Kindern sein, die mit zwei Sprachen auf einmal experimentieren. Doch unterscheidet sich der Spracherwerb auch im Gehirn der Säuglinge?

Broca- und Wernicke-Areal im Gehirn
Das Broca- und das Wernicke-Areal sind im Gehirn für den Spracherwerb zuständig. © UX StalinCC-by 4.0

Sprache im Gehirn: die Wernicke Region und das Broca-Areal

Wenn Babys sprechen lernen, spielen vor allem das Broca-Areal in deren Stirnbereich und die Wernicke-Region im linken Schläfenlappen des Großhirns eine Rolle. Beide Hirnregionen gelten als Zentren der Sprachverarbeitung. Die Wernicke-Region entwickelt sich bei den Babys zuerst: Mit ihrer Hilfe können sie erkennen, ob eine Aneinanderreihung von Silben Gebrabbel oder ein echtes Wort darstellt, die richtigen Wörter im Gedächtnis abspeichern und etwas später sogar einfache Sätze verstehen.

Etwa im Alter von vier Jahren bildet sich im Kinderhirn dann auch das Broca-Areal aus. Dieses ist für Grammatik zuständig. Ab diesem Alter erleben die kleinen Kinder einen Grammatikschub und können nun auch komplexere Passivkonstruktionen oder Nebensätze bilden und verstehen. Ein Bündel an Nervenfasern verbindet außerdem die Wernicke-Region und das Broca-Areal miteinander. Da diese Verbindung mit der Zeit immer dicker wird, verbessert sich unser Verständnis für komplexe Sätze bis ins Teenageralter und auch darüber hinaus.

Ist das bilinguale Hirn anders als andere?

Bei zweisprachig aufwachsenden Kindern läuft diese Abfolge im Prinzip genauso ab wie bei einsprachigen, aber eben parallel für zwei Sprachen. Und auch Erwachsene erlernen Fremdsprachen noch auf diese Art und Weise – erst speichern sie Vokabeln und einfache Sätze im Wernicke-Areal, später beteiligt sich auch das Broca-Areal für komplexere grammatische Formen.
Trotzdem scheint diese Doppelbelastung das Gehirn der Zweisprachigen besonders in jungen Jahren zu stärken. Mithilfe von Hirnscans haben Forscher festgestellt, dass Bilinguale schon kurz nach Erwerb der zweiten Sprache mehr graue Substanz im Gehirn besitzen.

In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Besser bilingual?
Wie Fremdsprachen unser Gehirn und Verhalten beeinflussen

Sind wir alle ein bisschen bilingual?
Zwei- und Mehrsprachigkeit in Deutschland und der Welt

Zweisprachigkeit – eine geheime Superpower?
Die vielen Vorteile der Bilingualität

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Welchen Effekt die Wahl von Mutter- oder Fremdsprache auf die Emotionen haben

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Die betroffenen Regionen sind der hintere unteren Teil des linken Stirnlappens, sowie der untere linke Scheitellappen – die Bereiche der Sprachzentren. „Diese beiden Gehirnregionen sind zum Beispiel für das Sprachverstehen und die Sprachproduktion wichtig“, erklärt Stefan Heim von der RWTH Aachen. Ein Zuwachs an grauer Substanz geht mit einer besseren geistigen Leistungsfähigkeit und Flexibilität in diesen Bereichen einher, wie der Logopäde erklärt.

Mann gestikuliert im Gespräch mit anderen
Überraschend: Gestikulieren hilft beim Sprachenlernen. © Gpointstudio/iStock

Unerwartete Hilfe vom motorischen Cortex

Beim Fremdspracherwerb in höherem Alter sind zudem noch weitere Gehirnregionen beteiligt, wie Brian Mathias von der TU Dresden und sein Team im Jahr 2021 herausfanden. Für ihr Experiment ließen sie ihre Testpersonen zunächst 14 Tage lange Vokabeln pauken. Anschließend sollten sie die gelernten Wörter übersetzen. Währenddessen störten die Wissenschaftler jedoch in einem Teil der Durchgänge den motorischen Cortex ihrer Probanden, der normalerweise vor allem unsere Bewegungen steuert.

Es zeigte sich: Mit einem blockierten motorischen Cortex, fiel es den Testpersonen deutlich schwerer, die Vokabeln zu übersetzen. „Augenscheinlich hängt unser Gedächtnis für kürzlich gelernte Fremdsprachenwörter von dem sensomotorischen Kontext ab, in dem die Wörter während des Lernens erlebt wurden“, sagt Mathias. Nach Ansicht der Forschenden bestätigt dies, dass der Einsatz von Gesten ein wertvolles Hilfsmittel sein kann, um eine Fremdsprache schneller zu lernen. Inwiefern dies auch im frühen Spracherwerb von Kindern der Fall ist, blieb allerdings noch unklar.

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