Ist der menschliche Körper einmal von Biofilm-erzeugende Krankheitserregern infiziert, ist das Immunsystem meist machtlos. Auch Antibiotika können die stabilen Bakterienkolonien innerhalb ihrer zähen Schleimmatrix kaum angreifen.
Zusammen Widerstand leisten
Der Grund: Gegenüber den Antibiotika sind Bakterien in einem Biofilm bis zu tausendfach widerstandsfähiger als einzelne Mikroben. Denn durch die Schleimschicht können kaum Stoffe passieren. Dadurch sind beispielsweise Penicilline gegen Biofilmen wirkungslos. Die Biofilm-Zellen sondern sogenannte Beta-Lactamasen ab, die die Antibiotika schneller abbauen, als sie durch Diffusion nachgeliefert werden, sodass die tieferen Zonen des Biofilms unberührt bleiben. Zudem herrschen im Inneren der Matrix Bedingungen wie ein niedriger pH-Wert, die viele Antibiotika inaktivieren.
Die Biofilm-Bewohner schützen sich auch dank ihrer Lebensweise selbst: Bakterien in Biofilmen haben meist einen langsameren Stoffwechsel und wachsen demzufolge auch nicht so schnell. Dadurch nehmen sie antibiotischen Gifte nur langsam und in geringer Dosis auf. Außerdem tragen in Biofilmen eingebundene Mikroben verglichen mit ihren frei umherschwimmenden Verwandten häufiger Resistenzgene gegen Antibiotika. Denn durch die enge Nachbarschaft kann genetisches Material zwischen Mikroben leichter ausgetauscht werden. Dabei spricht man vom horizontalen Gentransfer.
Unsterbliche Kolonien
Und selbst wenn ein therapeutischer Angriff gelingt und er einen Großteil der Bakterienkolonie im Biofilm tötet, können überlebende Mikroben schon innerhalb von 24 Stunden den Biofilm wieder neu aufbauen. Denn häufig überleben dabei vereinzelte sogenannte „Persister“, die nicht aufgrund von Antibiotika-Resistenzgenen geschützt sind, sondern durch einen anderen, nicht erblichen Schutzmechanismus.
Ihre Strategie: Persisterzellen werden bei widrigen Bedingungen antimikrobiell tolerant, indem sie in einen Ruhezustand wechseln und sich nicht mehr teilen. Sie reaktivieren sich erst wieder, wenn die medikamentöse Behandlung beendet ist. Dann können sie sich vermehren und einen neuen Biofilm bilden. Persisterzellen gibt es zwar auch unter freischwimmenden Bakterien, dort sind sie aber tausendfach seltener und deshalb leichter mit Antibiotika zu bekämpfen.
Vom Menschen verstärkt
Dass Biofilme so resistent gegen Antibiotika sind, wird zusätzlich vom Menschen verstärkt, wie Wissenschaftler um Shane Hussey von der University of Leicester anhand von bakteriellen Erregern für Lungenentzündungen herausgefunden haben.
Demnach können der vom Menschen verursachte Feinstaub und vor allem Ruß in der Luft krankmachende Bakterien in unseren Atemwegen begünstigen und es ihnen ermöglichen, dickere Biofilme auszubilden. Diese reagieren noch einmal resistenter gegenüber Antibiotika. „Die Streptokokken zeigten dadurch eine signifikant erhöhte Resistenz gegenüber Penicillin G – einem der wichtigsten Antibiotika gegen diese Erreger“, berichteten die Forscher. Zudem erleichtert die Luftverschmutzung es Lungenentzündungs-Erregern, von der Nase in die Lunge zu gelangen, so das Forscherteam.
Gegen Strahlung und Desinfektion immun
Das medizinische Problem der hartnäckigen Biofilme geht über den Einsatz von Antibiotika hinaus: Auch gegen Desinfektionsmittel sowie UV- und Röntgenstrahlen sind die Biofilm-Bewohner weitgehend geschützt. Zudem wurde die Schleimmatrix auch schon auf radioaktiven Strahlungsquellen nachgewiesen. Dadurch können Oberflächen und medizinische Geräte in Krankenhäusern und Praxen nicht ausreichend gereinigt werden.
Zudem werden auch in wichtigen Bereiche außerhalb des Medizinsektors Biofilme zum Problem: Catherine Paul von der Lund Universität in Schweden und ihre Kollegen haben nachgewiesen, dass in unseren Wasserleitungen eine ganze Organismenwelt existiert. Diese bisher unerkannten bakteriellen Biofilme helfen zwar generell dabei, das Trinkwasser sauber zu halten. Eine gestörte Wasserqualität kann diese Mikrobengemeinschaft aber signifikant verändern. In einer Wasserleitung, in der das Wasser in den Untersuchungen stark eisenhaltig und von Rost verfärbt war, war die Artenzusammensetzung im Biofilm der Leitung deutlich verschoben.
Hinzu kommt, dass Biofilme sich auch in Materialien „einfressen“ können. Diese mikrobiologisch bedingte Korrosion kommt zum Beispiel in Kühlkreisläufe, Wasseraufbereitungs- und Brauchwassersysteme, aber auch in Kraftwerken oder Computern vor. Gängige Bekämpfungsmethoden wie UV-Strahlung, Chlor oder Bleichkalk sind dagegen meist nicht wirksam.
Und auch in der Nahrungsmittelindustrie spielen Biofilme eine Rolle: Eine Studie von Forschern um Eva Wagner vom österreichischen Kompetenzzentrum für Feed and Food Quality, Safety and Innovation (FFoQSI) hat bereits nachgewiesen, dass trotz aller Desinfektion Bakterien in Fleischverarbeitungsbetrieben fast überall gedeihen. Neben üblichen Mikroben fand das Team auch zehn hartnäckige Biofilm-Hotspots. Fünf dieser Biofilme siedelten auf Schneidmaschinen und anderen direkt mit dem Fleisch in Kontakt kommenden Geräten, aber auch das Innere von Wasserschläuchen war kontaminiert.