Amerikanische Soldaten gelten nicht unbedingt als zimperlich – und doch haben US-Piloten, die es im Zweiten Weltkrieg in die Wildnis verschlagen hatte, lieber gehungert, als Insekten oder Kröten zu essen. Sie wussten, dass diese Tiere essbar und nicht giftig waren, dennoch siegte ihr Ekelgefühl über den Hunger.
Wenn wir uns ekeln, ist die Nase gerümpft, die Nasenlöcher sind verengt und die Zunge wird im geöffneten Mund nach vorne verschoben – ähnlich wie beim Erbrechen. Und tatsächlich bringt uns Ekel vor allem dazu, bestimmte Dinge nicht zu essen, auszuspucken oder zu erbrechen.
Das ist für den Allesfresser Mensch sehr wichtig, denn je größer das Nahrungsspektrum, desto größer ist auch die Gefahr, giftige Substanzen aufzunehmen. Für die frühen Jäger und Sammler war es daher besonders günstig, süß schmeckende Speisen als angenehm, bittere Kost dagegen als eher unangenehm zu empfinden. In süßer Nahrung stecken viele Kalorien, giftige Pflanzen warnen oft durch bittere Substanzen vor der von ihnen ausgehenden Gefahr. Auch heute noch sieht man es unserem Speiseplan an, dass wir uns so verhalten, als seien Zucker, Salz und Fett Mangelware.
Vor allem bei Kindern und Kleinkindern zeigt sich, wie sehr einfach zu deutende Geschmäcker geschätzt werden. Süßes liegt sehr viel höher im Trend als schwer einzuordnende Nahrungsmittel wie Oliven oder Senf. Außerdem zeigen sie oft eine starke Neophobie, vermeiden also Nahrung, die sie noch nicht kennen. Oft werden von Unbekanntem erst mal kleine Happen probiert, außerdem immer nur ein neues Nahrungsmittel gleichzeitig. Dieses Verhalten minimiert die Gefahr, tödliche Mengen von Gift zu sich zu nehmen. Was als ungefährlich eingestuft wurde, wird dann gern und oft gegessen. Nur Eltern bringt es zum Staunen, wenn Kinder wirklich jeden Tag nach Spaghetti mit Tomatensoße verlangen.
Der Ekel vor bestimmten Geschmacksstoffen oder Gerüchen (z.B. faule Eier) ist zwar angeboren, ganz festgelegt sind Vorlieben und Abneigungen aber nicht. Innerhalb der ersten zwei Lebensjahre werden wir für unsere weiteren Nahrungsvorlieben geprägt. Einmal natürlich durch das Nahrungsangebot, andererseits lernen wir von den Eltern, was wir essen dürfen und was nicht. So stellt es für Kleinkinder zunächst keine Problem dar, Erde, Regenwürmer oder – im Experiment – simulierten Hundekot zu essen. Erst durch die Reaktion der Eltern lernen Kinder, diese „Nahrungsmittel“ zu meiden und als abstoßend zu empfinden.
In verschiedenen Kulturen gibt es daher zwar Abneigungen, die allen gemeinsam sind (z.B. faules Fleisch), aber durchaus auch Unterschiede. Hindus essen kein Rindfleisch, Juden kein Schweinefleisch und bevor Sushi als schicke Liefestyle-Speise seinen Siegeszug nach Westen antrat, war roher Fisch auch nicht überall beliebt. Neben dem räumlich unterschiedlichen Nahrungsangebot werden diese kulturellen Vorlieben und Abneigungen von Anthropologen als Symbole des Zusammenhalts gedeutet. Täglich wird so beim Essen demonstriert, wer zur Gruppe gehört und wer nicht.
Während die Toleranz gegenüber rohem Fisch in den westlichen Industrienationen gestiegen ist, sank dagegen die Bereitschaft, sich tote Tiere anzusehen oder gar selber zu schlachten. Obwohl der Fleischkonsum innerhalb der letzten 150 Jahre deutlich angestiegen ist, verschwanden die Etappen auf dem Weg von der Kuh zum Hamburger immer mehr aus unserem Blickfeld. Paradoxerweise empfinden wir nun den Anblick von toten Tieren wie Fischen oder Fasanen oder einem Spanferkel immer häufiger als ekelhaft und bevorzugen bis zur Unkenntlichkeit verfremdete Fischstäbchen, Chicken-Nuggets oder Würstchen.
Dazu wurde die Auswahl an als genießbar eingestuften Tieren stark eingeschränkt. Vor dem 19. Jahrhundert galten noch Igel, Marder, Fischotter, verschiedene Vogel- und Insektenarten als Delikatesse. Heute gilt der Verzehr von Insekten, die sehr gut verträglich sind und in vielen Ländern ganz selbstverständlich auf dem Speiseplan stehen, eher als eine Art Mutprobe in deutschen Fernsehshows.
Stand: 13.05.2005