Als US-Präsident Richard Nixon am 5. Januar 1972 offiziell den Bau einer Flotte von wiederverwendbaren Raumfähren verkündete, waren die Erwartungen groß: 40 bis 60 Starts im Jahr plante die NASA, der Weg in den Erdorbit sollte quasi zur Routine werden. Nur auf rund zehn Millionen US-Dollar bezifferte die Raumfahrtagentur damals die Kosten pro Start. Doch diese Zahlen erwiesen sich bereits vor dem Abheben des ersten Space Shuttle als utopisch. Weil die Entwicklungskosten ausuferten, drohte 1977 sogar das gesamte Programm eingestampft zu werden. Allein die Tatsache, dass das US-Militär bereits Spionagesatelliten gebaut hatte, die für jede andere Rakete zu groß waren, garantierte der NASA damals eine weitere Geldspritze.
Heute liegen die Startkosten bei rund 450 Millionen US-Dollar – rechnet man alle Nebenkosten mit ein, gehen Experten sogar von mehr als einer Milliarde US-Dollar aus. Die höchste Anzahl an Starts pro Jahr erreichte die NASA 1985, damals flogen die Shuttles neun Missionen. Danach pendelte sich der Durchschnitt bei drei bis sieben Flügen pro Jahr ein. „Damit ist das Shuttle extrem teuer zu fliegen und konnte nie sein ursprüngliches Versprechen eines Routine-Zugangs zum Weltraum einlösen“, konstatiert Roger Launius, Kurator am Smithsonian Air and Space Museum.
Komplexestes Fluggerät überhaupt
Ein Grund für die Kostenexplosion – neben Fehlkalkulationen und Misswirtschaft im behördenähnlich organisierten NASA-Apparat – könnte die Technik des Shuttles sein: Obwohl schon in den 1970er Jahren entworfen, gilt die amerikanische Raumfähre bis heute als eines der komplexesten technischen Systeme überhaupt. Mehr als 2,5 Millionen bewegliche Teile umfasst ein Space Shuttle, 1.440 Schalter, 1.060 Pumpen und Ventile und 370 Kilometer an Kabeln.
Allein im Flugdeck, dem Cockpit des Shuttles, sehen sich die Piloten mit mehr als 2.020 verschiedenen Anzeigen und Steuerungen konfrontiert. Die Schalter, blinkenden Lämpchen und Displays füllen nahezu jede freie Fläche, sie ziehen sich von den Piloten und Copilotensitzen hinauf bis an die Decke und an die Seitenwände des Cockpits. „Wer kann sich normalerweise schon 2.400 unterschiedliche Dinge merken? Aber die Instrumentenpanele sind für die Besatzung logisch nachvollziehbar angeordnet. Sie bilden entweder Energieströme, den Wasserfluss oder die Luftversorgung ab“, erklärt NASA-Techniker Christ Meinert.
„Eierlegende Wollmilchsau“ der Lüfte
Die schiere Menge dieser Kontrollen und technischen Bauteile kommt nicht von ungefähr: Immerhin vereint das stumpfnasige Gefährt mit den nach hinten ausgezogenen Dreiecksflügeln gleich drei Fluggeräte in sich und ist damit eine Art „eierlegende Wollmilchsau“ der Lüfte. Es startet senkrecht wie eine Rakete, manövriert im Erdorbit wie ein Raumschiff und landet wie ein Flugzeug. Mit seiner per Luftschleuse erreichbaren Ladebucht und dem schwenkbaren Greifarm kann es wahlweise Labormodule, Satelliten oder andere Nutzlasten transportieren und im All ausbringen. Bis auf den externen Tank sind zudem nahezu alle Komponenten der Space Shuttles wiederverwendbar. Sogar die nach der ersten Brennphase abgesprengten Feststoffraketen werden per Schiff aus dem Ozean geborgen und wiederbefüllt.
Doch möglicherweise ist es genau dieser Anspruch der Vielseitigkeit, der dem Space Shuttle-Programm letztlich das Genick gebrochen hat: „Es hat bei vielen Gelegenheiten seine bemerkenswerten Fähigkeiten demonstriert“, erklärt Roger Launius, Kurator am Smithsonian Air and Space Museum. „Aber die Kosten und die schiere Komplexität des weltweit ersten wiederverwendbaren Weltraum-Transportsytems sorgten immer auch für Kontroversen und Meinungsunterschiede.“
Nadja Podbregar
Stand: 07.07.2011