Die wohltuende Wirkung von Berührung ist inzwischen so gut belegt, dass Mediziner sie gezielt als Therapie einsetzen. Das Mittel Hautkontakt bildet zwar selten den einzigen Baustein der Behandlung – vor allem als Ergänzung hat es sich jedoch in vielen Bereichen bewährt. Immer mehr in den Fokus von Sinnesforschern ist dabei in der Vergangenheit eine der ältesten Heilmethoden der Menschheit gerückt: die Massage.
Schon der griechische Arzt Hippokrates war seinerzeit überzeugt: „Der Arzt muss viele Dinge beherrschen, in jedem Fall aber das Reiben.“ Damals wie heute kommt die klassische Massage hauptsächlich zum Einsatz, um die Muskulatur zu lockern, die Durchblutung zu steigern und Gewebeverklebungen zu lösen. Doch der Wirkungsbereich des medizinischen Drücken und Reibens geht weit darüber hinaus.
Massage statt Schmerzmittel
Einer der positiven Effekte von Massagen ist ihre schmerzlindernde Wirkung. Mit gezielten Handgriffen lässt sich nachweislich eine ähnliche biologische Wirkung erzielen wie durch gängige Analgetika: In den Muskelzellen wird die Ausschüttung entzündungsfördernder Substanzen wie Zytokinen gehemmt. Zudem bilden sich vermehrt Mitchondrien, die Energielieferanten des Zellstoffwechsels. Das fördert Heilungsprozesse auf Zellebene.
Studien belegen: Patienten mit chronischen Schmerzen oder schweren Erkrankungen wie Krebs benötigen weniger Schmerzmittel, wenn sie regelmäßig massiert werden. Außerdem haben die Behandelten weniger Ängste, weniger Stress und sind insgesamt in besserer Stimmung.
Hilfe für depressive Patienten
Genau aus diesem Grund kann die Methode auch Menschen mit Depressionen helfen. Der Pharmakologe Bruno Müller-Oerlinghausen gehörte Anfang der 2000er Jahre zu den ersten Medizinern, die den Effekt von Massagen auf stationär behandelte depressive Patienten im Rahmen einer kontrollierten Studie untersuchten. Insgesamt 32 Probanden nahmen dafür im Abstand von wenigen Tagen an jeweils drei sogenannten Slow Stroke-Massagen sowie drei Kontrollterminen teil, bei denen sie andere Entspannungs- und Wahrnehmungsübungen ohne körperliche Berührung praktizierten.
Dabei zeigte sich: Zwar wirkten sich beide Maßnahmen zumindest kurzfristig positiv auf die Stimmung der Patienten aus – bei den sanft und mit langsamen Bewegungen ausgeführten Massagen war der Effekt jedoch im Vergleich deutlich stärker. Die Versuchspersonen fühlten sich danach akut besser, wie sie durch verschiedene Formulierungen zum Ausdruck brachten: „Patienten sprachen davon, dass sie nicht mehr die Gummihaut spürten, die sonst immer um sie sei, oder dass ein großer Stein von ihrer Brust genommen wurde“, schreiben die Forscher.
Besonders erstaunlich war für Müller-Oerlinghausen und seine Kollegen, dass die Patienten berichteten, die therapeutische Berührung tatsächlich genossen zu haben. Denn oft können sich depressive Menschen nur schwer über etwas freuen oder Lust an Etwas empfinden – der sanfte Körperkontakt scheint da eine Ausnahme zu bilden.
Auf den Druck kommt es an
Dass Massagen bei etlichen Krankheitsbildern eine positive Wirkung entfalten können, bestätigt auch eine Übersichtarbeit aus dem Jahr 2014. Tiffany Field von der University of Miami kommt darin jedoch zu dem Schluss, dass nicht jede Technik gleich viel hilft. Demnach sind vor allem Massagen mit mittlerem Druck effektiv – das spiegelt sich auch im Gehirn der Behandelten wider: Mit moderatem Druck ausgeführte Massagen verändern laut Field die Aktivität in Hirnregionen wie der Amygdala, dem Hypothalamus und dem anterioren Gyrus cinguli. „All diese Bereiche hängen mit der Regulation von Stress und Emotionen zusammen“, so die Psychologin. Allerdings: Welche neurophysiologischen und biochemischen Mechanismen dieser Wirkweise im Detail zugrunde liegen, müsse die Forschung erst noch klären.
Daniela Albat
Stand: 02.09.2016