Medizin

Heiße Luft bei „sauberen Etiketten“

Was „Clean Label“ versprechen und halten

Sie heißen „Clean Label“ oder „saubere Etiketten“ und sie versprechen auf Lebensmitteln angebracht vor allem eins: weitgehend natürliche Ware – ohne Konservierungsstoffe, ohne Farbstoffe, ohne Geschmacksverstärker und ohne künstliche Aromastoffe.

Anspruch und Wirklichkeit untersucht

Doch können wir uns als Kunden auf solche Aufdrucke verlassen? Oder handelt es sich wieder einmal nur um leere Versprechungen, um Tricks, die schlicht und einfach Käufer anlocken sollen? Das wollten auch die Verbraucherzentralen in Deutschland wissen. Im Jahr 2010 führten sie deshalb eine bundesländerübergreifende Gemeinschaftsstudie durch – mit mehr als unerfreulichen Ergebnissen.

Glutamat als Dickmacher?

So fanden die Lebensmitteltester bei erstaunlichen 92 Prozent der Produkte mit dem Label „ohne Geschmacksverstärker“ andere Zusatzstoffe, die die gleiche Wirkung erfüllen. Diese müssen nach dem deutschen Lebensmittelrecht jedoch nicht als Geschmacksverstärker deklariert werden. Dazu gehören beispielsweise glutamathaltige Hefeextrakte sowie Antioxidationsmittel. Vor allem das Glutamat hat es in sich. Bei vielen Experten gilt es unter anderem als potenzieller Dickmacher, da es die natürliche Hungerbremse im Gehirn ausschalten kann.

„Es ist bekannt, dass Glutamat in experimentellen Situationen dick machen kann. Also wenn man das neugeborenen Ratten injiziert, dann werden sie fett. Das macht man sogar extra im Modell, um fette Ratten zu bekommen. Und das liegt daran, dass Glutamat bestimmte Regionen im Hirn, also im Hypothalamus, zerstört. Und dadurch fressen die Tiere dann mehr und werden dick“, sagt dazu Professorin Susanne Klaus vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung. Ob das auch für den Menschen gilt und bei den geringeren Mengen, die über die Nahrung aufgenommen werden ist bisher jedoch nicht endgültig geklärt.

Sojasauce mit Wasabi © Howcheng / GFDL

„Saubere“ Machenschaften bei Clean Label

Die Untersuchung anderer Clean Label brachte ebenfalls kaum bessere Resultate. So nutzen die Hersteller von 62 Prozent der Lebensmittel, die die Stempel „ohne Farbstoffe“ oder „ohne künstliche Farbstoffe“ trugen, andere Substanzen zum Färben. Zum Einsatz kamen dabei unter anderem Kürbis- und Karotten-Konzentrate, Zitrone, Curcuma oder Gewürzextrakte. Und 71 Prozent der Erzeugnisse mit der Werbung „ohne künstliche Aromastoffe“ verwendeten stattdessen Zutaten mit ähnlicher Wirkung wie Sojasoße.

Verbraucherzentralen fordern klare rechtliche Regelungen

Fazit: Auch bei den „sauberen Etiketten“ wird kräftig getrickst und geschummelt. Entsprechend kommen die Verbraucherzentralen in ihrer Studie auch zu folgendem Schluss: „Es müssen klare rechtliche Regelungen getroffen werden, die eine eindeutige Verwendung von ‚sauberen Etiketten‘ garantieren, die Transparenz schaffen und den Einkauf tatsächlich erleichtern.“

Und weiter: „Wenn mit der Abwesenheit bestimmter Stoffe, z.B. ‚ohne Geschmacksverstärker‘, ‚ohne Farbstoffe‘ oder ‚ohne Konservierungsstoffe‘ geworben wird, müssen Verbraucher davon ausgehen können, dass keine anderen Stoffe zum Einsatz kommen, die diese oder ähnliche Wirkungen haben.“

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Dieter Lohmann
Stand: 26.11.2010

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Inhalt des Dossiers

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