„Am 27. April 1521 fiel Fernao de Magalhaes, auch Magellan genannt, im Kampf gegen die Eingeborenen.“ So oder so ähnlich lauten die Beschreibung der europäischen Geschichtsbücher und Lexika über den Tod des Mannes, der die erste Weltumseglung geleitet hat. Ein Held Spaniens, ja ganz Europas, getötet von wilden und blutgierigen Insulanern, wie es Pigafetta überliefert hat.
Aber war es wirklich so? Waren die Einwohner Mactans die Aggressoren und Totschläger? Oder war es eigentlich gerade andersherum? Was hatten die Europäern den Insulanern schon vorzuwerfen. Im äußersten Fall waren sie nicht unterwürfig gewesen und hatten sich dem Willen dem Europäer nicht widerstandslos gebeugt. Aus dem Verständnis der Entdecker heraus allerdings eine ausreichende Begründung, die Insel zu überfallen und den „Aufständischen“ eine Lehre zu erteilen. Sie drangen in ihr Hoheitsgebiet ein, liessen ein Dorf abbrennen und viele Insulaner töten. Nach juristischen Maßstäben erfüllt dieser Überfall den Tatbestand der Körperverletzung, der Brandstiftung und des Totschlages. Magellan ein Held?
Wie so viele andere Entdecker vor und nach ihm traten die Männer um Magellan überall, wo sie Station machten, als erobernde Eindringlinge auf, die sich für nichts anderes interessierten als dafür, ihren eigenen Reichtum, ihre eigene Macht zu vergrößern. Wo dabei andere Interessen im Wege standen, wurden sie ausgeräumt, meistens mit Gewalt. Obwohl die Weißen fast überall mit offenen Armen empfangen wurden, brachten sie der Bevölkerung meist Tod und Unterdrückung, wurde die Welt der Einheimischen europäischen Vorstellungen und Werten entsprechend verändert oder umgekrempelt. Magellan und seine Entdeckungen und Eroberungen entwickelten sich damit zu einem der Vorboten, vielleicht sogar einem der maßgeblichen Wegbereiter der Kolonialisierung der Welt.
Aber nicht nur im Umgang mit den Bewohnern der besuchten Regionen zeigte sich der Zeitgeist der europäischen Entdecker und Herrscher wie Magellan. Auch die eigenen Männer und Matrosen hatten unter ihren Anführern nicht viel zu lachen. Bewusst verschwieg Magellan seinen Männern beim Anwerben beispielsweise das eigentlichen Ziels der Reise und die Strapazen, die ihnen bevorstanden. Magellan und seine „Sponsoren“ handelten so, „damit sie nicht vor Staunen und Angst unwillig wären, ihn auf so einer langen Reise zu begleiten“, wie Pigafetta schreibt.
Ohne Rücksicht auf Verluste zog Magellan seine Mission später dann auch durch. Eine Meuterei ließ er brutal niederschlagen, viele Menschen starben während der Fahrt an Skorbut, Infektionen oder im Kampf mit den Einheimischen. Selbst als extremer Hunger und Durst die Mannschaften quälten, gab es keinen Gedanken an Aufgabe. Ganze 18 von 237 Mann Besatzung der fünf Schiffe kehrten schließlich zurück in den Heimathafen. Magellan ein Held?
Der historische Wert der Leistung Magellans und seiner Gefährten soll damit allerdings keineswegs geschmälert werden. Die erste Weltumseglung und der damit verbundene Beweis für die Kugelgestalt der Erde liessen die Menschen endlich die wahren Dimensionen der Erde erkennen. Ein Kunststück vergleichbar vielleicht mit der Eroberung des Weltalls durch Juri Gagarin, oder der ersten Mondlandung, als die Menschen zum ersten Mal ihren Fuß auf einen anderen Himmelskörper setzten.
Der Mythos Magellan aber erscheint bei genauerer Betrachtung zumindest umstritten. Ruhm und Ansehen beginnen vor allem dann zu bröckeln, wenn man Magellan nicht aus europäischer Sicht betrachtet, sondern aus dem Blickwinkel der Menschen, die von ihm entdeckt und erobert wurden oder mit ihm reisten…
Stand: 05.06.2000