Nanopartikel schädigen unsere Gesundheit nicht nur direkt: Sie liefern auch unseren Erzfeinden, krankmachenden Bakterien, wertvolle Werkzeuge, um sich gegen unsere medizinischen Waffen zu wehren. Tatort dieser perfiden Taktik ist – wieder einmal – unser Abwasser.
Tummelplatz für Keime und Nanopartikel
In Abwasserkanälen, aber auch im Ausfluss von Kläranlagen tummeln sich Millionen verschiedenster Bakterien. Sie finden in der nährstoffreichen Brühe ideale Lebensbedingungen. Immer häufiger ist dieses Wasser aber auch mit Nanopartikeln aller Art angereichert. Sie stammen meist aus unserem Abwasser, Nano-Aluminiumoxid wird aber in einigen Kläranlagen neuerdings auch gezielt zugesetzt, um beispielsweise Schwermetalle effektiver aus dem Wasser zu absorbieren.
Und genau hier beginnt das Problem. Denn der Kontakt mit den Nanopartikeln setzt die Mikroben unter Stress und sie reagieren darauf mit einer Art letztem Befreiungsschlag: Sie lagern sich mit anderen zusammen und tauschen Gene aus. Durch diesen Gentransfer können auch vermehrt Erbgutschnipsel übertragen werden, die die Bakterien immun gegenüber Antibiotika machen, wie chinesische Forscher 2012 in Experimenten belegten. Sie hatten dafür Bakterien verschiedener Arten jeweils paarweise in Nährlösungen gesetzt und Nanopartikel dazu gegeben. Jeweils einer der beiden Partner war zuvor mit einem oder mehreren Resistenzgenen ausgestattet worden, nach einigen Tagen kontrollierten die Wissenschaftler, ob auch die zweite Mikrobenart nun immun gegen die Arzneimittel war.
Stress heizt Gentransfer an
Das Ergebnis war eindeutig: Vor allem das Nano-Aluminiumoxid erhöhte den Gentransfer zwischen verschiedenen Mikroben um das bis zu 200-Fache. Dadurch erhielten Krankheitserreger wie Salmonellen oder Enterokokken Resistenzgene von harmlosen Darmkeimen und wurden immun gegen gleich mehrere Antibiotika. Aber auch Nanopartikel aus anderen Verbindungen wie Eisen-, Titan- oder Siliziumoxiden förderten den Transfer von Resistenzgenen um das bis zu 100-Fache. Die Nano-Aluminiumpartikel ermöglichten sogar den Genaustausch zwischen Bakterien ganz unterschiedlicher Klassen – ein Prozess, der natürlicherweise kaum vorkommt, wie die Forscher berichten.
Angesichts der Tatsache, dass schon jetzt die Menge der Nanopartikel im Ausfluss von Kläranlagen sehr hoch sein kann, ist dies alles andere als beruhigend. Denn resistente Keime nehmen weltweit immer weiter zu und sorgen immer häufiger dafür, dass Menschen an zuvor leicht kurierbaren Infektionen sterben – einfach weil keines der gängigen Mittel mehr gegen die Superkeime hilft. Nanopartikel könnten diese fatale Entwicklung sogar noch vorantreiben, wenn sie unkontrolliert weiter in Böden und Gewässer gelangen.
Und auch der Einsatz der Miniteilchen als nützliche Helfer in der Kläranlage dürfte damit wohl eher kontraproduktiv sein: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Einsatz von Nanomaterialien vor allem in der Abwasserbehandlung sorgfältig geprüft werden muss, um Schäden für die Gesundheit, Umwelt und Ökologie zu vermeiden“, sagen Zhigang Qiu vom Institute of Health and Environmental Medicine in Tianjin und seine Kollegen. Die Konzentration der Nanopartikel in vielen Testprojekten zur Abwasserreinigung liege weitaus höher als bei den jetzt durchgeführten Mikrobenversuchen.
Nadja Podbregar
Stand: 08.03.2013