Neben den lästigen Bläschen, den Fieber- und den Tumor-Erkrankungen, die nachweislich durch Herpes hervorgerufen werden, stehen Herpesviren auch im Verdacht, viele weitere Krankheiten mitzuverursachen. Hinweise darauf liefert das gleichzeitige Auftreten von Herpesviren und Krankheitsmarkern im Blut bei diesen Erkrankungen.
Zu den eher harmlosen zählt dabei die schuppig-fleckige Hauterkrankung Röschenflechte, die vor allem den Rumpf sowie Oberarme und Schenkel betrifft. Vermutungen zufolge tritt der rosafarbene Hautausschlag auf, wenn Herpesviren der Sorte HHV-6 oder HHV-7 reaktiviert werden. Er heilt jedoch meist nach acht Wochen ab.
Alzheimer durch Herpesviren
Schwerer wiegt der Verdacht, dass Herpes auch zu Alzheimer-Demenz führen könnte. Genauer gesagt: eine Kombination aus einem Herpes-simplex-Virus und dem Varizella-Zoster-Virus. Kommen diese beiden Erreger von Lippenherpes und Windpocken im Gehirn zusammen und werden dort reaktiviert, kann dies die Alzheimer-typischen Proteinablagerungen anstoßen, legen Studien nahe.
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Varizella-Infektion Entzündungssignale im Gehirn verursacht, die dann wiederum Herpes simplex aufwecken“, erklärt Dana Carins von der Tufts University in Massachusetts. „Es ist ein Doppelschlag durch zwei Viren, die sehr häufig, aber allein betrachtet meist harmlos sind. Aber wenn sie zusammentreffen, kann dies Probleme verursachen.“
Doch auch das Herpes-simplex-Virus allein verdoppelt schon das Demenz-Risiko, wie Forscher kürzlich herausfanden. „Es tauchen immer mehr Studien auf, die darauf hinweisen, dass das Herpes-simplex-Virus ein Risikofaktor für Demenz ist“, sagt Erika Vestin von der Universität Uppsala. (doi: 10.3233/JAD-230718)
Führt Herpes zu Long Covid?
Die Herpesviren HHV-6 und Epstein-Barr stehen darüber hinaus im Verdacht, bei einer Corona-Infektion mit dem Sars-CoV-2-Virus reaktiviert zu werden. Sie gelten daher als mögliche Verursacher von schweren Covid-19- und Long-Covid-Symptomen. „Wir haben beobachtet, dass viele der mit Long Covid verknüpften Symptome denen sehr ähneln, die bei einer Reaktivierung des Epstein-Barr-Virus auftreten können“, erklären die Forscher um Jeffrey Gold von der World Organization in den USA.
Zu diesen gehören Fatigue, Schlafstörungen, Verdauungsprobleme, Kopfschmerzen, Fieber, Hautauschläge, aber auch neurologische Störungen. „Am häufigsten klagten die Patienten mit Long Covid und aktivem EBV unter Erschöpfung, Kopfschmerzen, Muskelschwäche und Verwirrung“, berichten Gold und sein Team.
Ein „Superschurke“ namens HHV-6?
Jüngeren Studien zufolge steht HHV-6 zudem im Verdacht, nach seiner Reaktivierung zahlreiche weitere Krankheiten auszulösen oder mitzuverursachen. Auf der Liste der potenziellen Spätfolgen durch dieses Herpesvirus stehen neben der Röschenflechte und Long Covid auch das Chronische Fatigue-Syndrom, Schizophrenie, Bipolare Störungen sowie Störungen des Herz-Kreislauf- und des Nervensystems.
Multiple Sklerose (MS) könnte ebenfalls auf das Konto des „Superschurken“ HHV-6 gehen, aber auch das Epstein-Barr-Virus und Retroviren gelten als mögliche MS-Auslöser. Diese Verdachtsfälle zeigen, dass trotz ihres nahezu allgegenwärtigen Auftretens noch viele Fragen zu Herpesviren offen sind. Für Forscher stellt sich dabei jedoch nicht nur die Frage, ob diese Viren bestimmte Krankheiten auslösen, sondern auch, wie sich dies verhindern lässt.